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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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wütend auf ihn, du warst die Letzte, die mit ihm in der Turnhalle war – natürlich bist du schuld!«
    »Carina«, stammelte Flora. »Wie kannst du so etwas glauben? Du bist doch meine Freundin! Bitte! Du wirst das doch niemandem so sagen?«
    Das zierliche Mädchen lächelte spöttisch.
    »Wenn du es nicht warst, warum soll ich dann irgendwas nicht erzählen? Wenn du es nicht warst, hast du doch nichts zu befürchten!«
    Flora fühlte, wie es ihr beinahe wieder die Beine wegzog.
    »Warum bist du so gemein zu mir?«
    »Verschwinde.« Carinas Stimme war zu laut für das hallende Treppenhaus. »Oder ich hole die Polizei!« Und dann knallte sie die Wohnungstür zu. Mit einem Mal war es wieder mucksmäuschenstill.

17. Kapitel
    Auszug aus dem psychiatrischen Gutachten, Prof. Dr. W. Metzler vom 02.12. d. J.:
    ». . . Die Patientin berichtet, dass sie immer wieder von Vorstellungen ihres eigenen Todes geplagt werde. Regelmäßig dächte sie daran, sich umzubringen. Sie bedauere, dass sie es nicht geschafft habe. Sie glaubt, sie hätte vielen Menschen viel Leid erspart, wenn sie diesen letzten Schritt gegangen wäre. Im Moment verspüre sie jedoch kein suizidales Bedürfnis. Sie kann aber nicht versprechen, dass es in der Zukunft so bleibe…«
    »Flora«, hörte sie eine dunkle Männerstimme, die sie nur allzu gut kannte. »Gut, dass du kommst. Die Polizei sucht dich. Sie wollen, dass du ein paar Fragen beantwortest.«
    Sie sah sich nach Edinger nicht um. Sie rannte los, vorbei an den schrecklichen Fahndungsplakaten mit ihrem Konterfei darauf, die sie des Mordes bezichtigten, zurück zum Parkplatz, griff nach ihrem Fahrrad, das Aufschließen kostete sie wertvolle Sekunden, und trat endlich in die Pedale.
    »Mach keinen Unsinn«, hörte sie Edinger hinter sich herrufen. »Das bringt doch nichts!« Doch sie fuhr und fuhr, die Henkestraße hinunter Richtung Hofmannstraße, wo sie sich in ihrem rosa Feenreich einschließen würde, der Welt entrückt für immer.
    An der Walter-Flex-Straße nahm ihr ein entgegenkommendes Auto, das nach links abbiegen wollte, die Vorfahrt und sie musste scharf bremsen, um nicht über die Kühlerhaube zu fliegen. Sie hörte noch immer Edinger ihren Namen rufen, er hatte tatsächlich ihre Verfolgung aufgenommen. Vielleicht würde er für ihre Ergreifung eine Belohnung kassieren?
    Schon sah sie die Baustelle an der Werner-von-Siemens-Straße, dort begannen die Bauzäune und nun endete abrupt ihre Fahrspur, alles verengte sich, sie wollte bremsen, verfing sich mit dem Ärmel ihrer Jacke im Lenker, der zog zu weit nach links, sie drehte ihn zurück, zu weit, viel zu weit, sie kam ins Schlingern und beobachtete sich selbst in Zeitlupe, wie sie auf die Fahrbahn stürzte, den Kopf nach oben reckte, damit sie ja nicht mit dem Schädel zuerst aufkam, konnte die Hand zwischen sich und den Asphalt bringen und dann lag sie und spürte erst einmal gar nichts. Sie rappelte sich hoch, bemerkte, dass ihr Vorderreifen einen mindestens doppelten Achter aufwies, und ließ das Rad liegen. Der Schmerz durchfuhr ihr Handgelenk und sie musste tief Luft holen. Sie sah über sich in den wolkenlosen Himmel. Überrascht von der Klarheit des Lichts ließ sie sich ablenken von ihrem Ziel und dann entdeckte sie auch schon Edinger, der mit wehenden Jackenschößen auf sie zugerannt kam. Sie setzte sich wieder in Bewegung, ohne zu wissen, wohin. Sie rannte am Bauzaun entlang, sah das Gewusel der Arbeiter, die einen Lkw abluden. Keiner achtete auf sie und Edinger kam unaufhaltsam näher. Ihr Blick ging erneut zum Himmel. Und sie bemerkte, dass der Kran unbeweglich stand, dass sich kein Führer in seiner Kabine niedergelassen hatte. Und schon war sie direkt an seinem Fuß, sie umklammerte die Handläufe im Inneren seines stählernen Gerüsts, fluchte über den neuerlichen Schmerz in ihrem Gelenk und begann, die Leitersprossen hinaufzuklettern. Sie war schnell, behände wie eine Katze, nicht zu stoppen. Auf der Baustelle hatte sie noch immer niemand bemerkt und Edinger hatte sie wohl aus den Augen verloren, denn er stand an ihrem Fahrrad und suchte irritiert die Umgebung ab. Er dachte nicht daran, nach oben zu schauen.
    In das Führerhaus kam sie nicht hinein, es war abgeschlossen. Also kletterte sie die letzten Sprossen hinauf, bis sie auf dem Ausleger ankam und sich dorthin kauern konnte. Eiskalt war es hier oben, trotz der Sonne. Der November forderte seinen Tribut. Sie spürte, wie der Kran leicht im Luftzug schwankte,

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