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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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so aus?«
    Er musterte sie, dann grinste er plötzlich. »Mit diesen rehbraunen Augen? Nein, dafür sind Sie zu hübsch.«
    Evelyn spürte, wie ihr die Hitze zu Kopf stieg. Sie hatte kein Problem mit Pennern, Kriminellen oder Drogensüchtigen, auch nicht, wenn sie nachts allein mit der U-Bahn durch die Stadt fuhr - aber mit Komplimenten dieser Art hatte sie noch nie umgehen können. »War der Mann nun hier oder nicht?«
    »Er war hier.« Der Glatzkopf blickte zum Ende der Theke. »Er saß in der Nische da drüben, unterhielt sich mit einer schlanken Blondine, befummelte die Kleine ein wenig, aber dann zahlte er und verschwand.«
    »Und die Frau?«
    Der Glatzkopf zuckte mit den Achseln. »Hat wohl einen anderen Freier gefunden.«
    Plötzlich musste Evelyn an den betrunkenen Stammkunden denken, der auf allen vieren vor dem Porsche herumgekrochen war. Auf allen vieren! Das war’s!
    »Wie viel hat der Kinderarzt getrunken?«, fragte sie aufgeregt.
    »Ein paar Gläser.«
    »Wie viele?«
    »Ich führe keine Statistik.«
    »Denken Sie nach«, drängte sie.
    Der Glatzkopf verzog das Gesicht. »Er hat ziemlich getankt - eine Flasche Sekt mindestens.«
    Im Autopsiebericht stand, dass Kieslinger alkoholisiert gewesen war - daher hatten der Gerichtsmediziner und die Kripobeamten wohl angenommen, dass er auf der Benefizveranstaltung einige Gläser Sekt oder Wein gekippt hatte, anschließend zur nächsten U-Bahn-Station gegangen und über die angeblich fahrlässig aufgestellte Absperrung gestolpert war.
    Die Wahrheit sah vollkommen anders aus. Unbeabsichtigt hatte Burnout-Rudi sie auf die richtige Spur gebracht. Evelyn nippte an dem Daiquiri, bezahlte ihn und legte einen Extraschein auf den Tresen. Der Glatzkopf warf einen Blick auf die Geldnote und hob fragend die Augenbrauen.
    »Laden Sie Rudi das nächste Mal auf einen starken Kaffee ein, bevor er die Bar verlässt - ich bin ihm was schuldig.«
    Sie verließ die Bar. Morgen früh würde es eine hübsche Überraschung für Kieslingers Witwe und ihren Anwalt geben.
     
    Dienstag, 16. September
     
    5
     
    Die Sonne war noch nicht über den Horizont geklettert, als Walter Pulaski bereits im Wagen saß und auf der B2 zum südlichen Stadtrand Leipzigs fuhr. Das Scheinwerferlicht zerschnitt die Dämmerung. Es waren nur wenige Autos unterwegs. Normalerweise lag er um diese Zeit noch im Bett, aber diesmal hatten sie ihn bereits kurz nach sechs Uhr früh zu Hause angerufen und nach Markkleeberg geschickt.
    Pulaski verließ die Schnellstraße und bog auf die Seenallee ein. Er schnippte die Zigarettenkippe durch das heruntergekurbelte Fenster und ließ die frische Morgenluft ins Wageninnere strömen. Er musste wach werden. Zwar hatte er seiner Tochter ein rasches Frühstück zubereitet, aber kurz darauf war er auch schon losgefahren. Hier draußen roch es anders als in der Stadt. So viele Grünanlagen hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Bald würde er die Parkanlagen und das Schilfufer des Cospudener Sees erreichen. Wenn er ankam, brauchte er zuerst einmal einen Kaffee. Eine starke schwarze Brühe ohne Zucker und nicht so einen Cappuccinodreck aus dem Automaten mit Pulver und Aromastoffen, bei dem sich sein Magen zusammenkrampfte. Er hoffte, dass sie das für ihn auf die Reihe bekamen.
    Nachdem er mehrmals versucht hatte, einen Radiosender mit klarem Empfang einzustellen, gab er schließlich auf und knipste das Gerät aus. Die Morgennachrichten waren ohnehin schon vorbei, und bestimmt hatten sie noch nichts darüber gebracht, was in Markkleeberg passiert war.
    Minuten später lenkte er den klapprigen Skoda in die Nähe des Keesscher Parks. Am Ende einer Sackgasse erreichte er eine etwa zwei Meter hohe Mauer aus groben Steinen. Das schmiedeeiserne Tor stand offen. Man erwartete ihn. Die Kameralinse an der Mauer filmte jede seiner Bewegungen. Er holperte mit dem Skoda über eine Bodenwelle und fuhr durch eine gepflegte Gartenanlage. Die Wiese glitzerte in der Morgendämmerung. Die Rasensprenger zirpten links und rechts, und die Wassertropfen verschmierten die Windschutzscheibe seines Wagens. Am Ende des Schotterwegs erreichte er ein dreistöckiges Backsteinhaus. So also sah die Anstalt aus, die er nur von Erzählungen kannte. Das lang gezogene Gebäude mit den bungalowähnlichen Seitentrakten wirkte kleiner als erwartet. Trotzdem waren hier ein halbes Dutzend Stationen, zahlreiche Therapieräume und siebzig Patientenzimmer untergebracht.
    Pulaski parkte den Skoda direkt vor dem

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