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Rachespiel

Rachespiel

Titel: Rachespiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niamh O'Connor
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wissen, was mit dir los ist .
    Sexton schien das Büro in letzter Zeit jeden Tag ein bisschen früher zu verlassen. Kaum ging es auf drei Uhr zu, fing er an, mit den Füßen zu scharren, telefonierte leise mit der Hand vorm Mund und verkündete anschließend, er müsse los und sich mit irgendeinem namenlosen Spitzel aus der Drogenszene treffen, dessen Identität stets geschützt werden musste. Am nächsten Tag, wenn Jo ihn fragte, was dabei herausgekommen sei, gab es nie etwas Berichtenswertes. Sie hielt das Ganze für eine Verschwendung seiner Fähigkeiten. Ohne Gavin hätte sie niemals den Bibelfanatiker dingfest machen können, der in ihrem letzten großen Fall fünf Menschenleben ausgelöscht hatte.
    Am vergangenen Freitag hätte sie ihn um ein Haar wegen seiner Abwesenheiten zur Rede gestellt, weil sie mit Hochdruck daran arbeitete, eine Spur von Beweis dafür zu finden, dass drei ungeklärte Fälle von Vergewaltigung und Mord ebenfalls einem gerade vor Gericht stehenden Vergewaltiger anzulasten waren. Doch Foxy hatte sie beiseitegenommen, um sie daran zu erinnern, dass es der zweite Jahrestag des Selbstmordes von Sextons Frau Maura war.
    »Weißt du, was er in der Innentasche seines Jacketts mit sich herumträgt?«, hatte Foxy sie gefragt. »Mauras Abschiedsbrief, stell dir vor. Er kann sich nicht überwinden, ihn endlich zu lesen.«
    »Woher weißt du das?«, hatte Jo nachgebohrt.
    Foxy hatte sich bloß zweimal an den Nasenflügel getippt.
    Jetzt musterte sie Sexton über den Rand ihres Kaffeebechers hinweg. Sie war froh, dass er überhaupt ein Interesse an einem Fall zeigte, sei es auch nur deshalb, weil er durch und durch Mannsbild war. Es wurde Zeit, dass wieder etwas Glanz in seine schokoladenbraunen Augen kam.
    »Wo kommt das überhaupt her?«, erkundigte er sich.
    Jo zuckte die Achseln. »War keine Briefmarke drauf …« Dann merkte sie an der Art, wie er sich umsah, dass sie ihn missverstanden hatte. Sexton meinte das Büro.
    Sie grinste ihn an. »Toll, was? Okay, das wird es zumindest, wenn ich es erst mal fertig eingerichtet habe.«
    Der Raum war ursprünglich als Raucherzimmer des Reviers vorgesehen gewesen, weil es der einzige auf der gesamten Etage mit einem Fenster war, das sich tatsächlich öffnen ließ, während die übrigen wegen der Klimaanlage fest verschlossen waren. Jo, eine ehemalige Raucherin, verabscheute Glimmstängel inzwischen zutiefst.
    »Hat der Chief es dir zugeteilt?«, fragte Sexton mit einem Seitenblick zu Dan.
    »Von wegen …« Sie raffte Film, Brief und Umschlag zu sammen, stopfte alles in die oberste Schreibtischschublade und drehte den Schlüssel herum, an dessen Ring auch ein Ersatzschlüssel hing. Noch nie hatte sie einen abschließbaren Schreibtisch gehabt, ganz zu schweigen von einem, dessen Resopalplatte weder Brandflecken noch Kaffeeringe oder eingeritzte Initialen aufwies.
    »Dann ist das Diskriminierung im positiven Sinne«, neckte Sexton sie. »Du hast es nur bekommen, weil du der einzige weibliche Detective Inspector im Großraum Dublin bist.«
    »Oder wie wär’s damit: Ich habe verdammt hart gearbeitet und bekommen, was mir zusteht?«
    »Vergiss es«, erwiderte Sexton und stieß sie mit dem Ellbogen an, gerade als der weißhaarige John Foxe zur Tür hereinlugte.
    »Da ist eine Frau am Empfang, die dich sprechen möchte.«
    »Wer ist es, Sarge?«, fragte Jo.
    Foxy war der Einzige, den sie mit seinem Dienstgrad ansprach. Als Zeichen des Respekts. Er war nur deshalb mit den Jahren nicht befördert worden, weil er es stets konsequent abgelehnt hatte. Seine Tochter Sal hatte das Downsyndrom, und er war nicht an einer Laufbahn interessiert, für die man bereit sein musste, Überstunden zu leisten.
    Foxy zuckte die Achseln. »Kaum hat sie ihr eigenes Büro, will sie auch ’ne Sekretärin«, witzelte er in Sextons Richtung und nahm seine Schere vom Schreibtisch.
    »Kannst du sie bitten, Name und Adresse zu hinterlassen? Ich bin auf dem Sprung.« Jo zog den Reißverschluss ihrer Lederjacke hoch. Sie war noch nicht mal dazu gekommen, sie auszuziehen und aufzuhängen, zumal sie keine Garderobe hatte. Sie fügte »Kleiderhaken« ihrer mentalen Einrichtungsliste hinzu.
    »In der Parkgate Street findet heute Morgen ein Vergewaltigungsprozess statt«, erklärte sie eilig. »Ich will da mal kurz reinschauen. Der Angeklagte ist ein bisher unauffälliger Normalbürger, der eine Frau am helllichten Tag entführt und sie dann mit ihrem BH gefesselt und mit ihrer Strumpfhose

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