Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
anders sein, schließlich war es erst sieben Uhr morgens.
Aber sie hatte schon eine Routine entwickelt. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Fraktionsvorsitzenden bat sie Asbjørn darum, die Zeitungen mit dem Fahrrad zu holen. Das hätte sie lieber nicht tun sollen. Als er zurückkam, hatte er Tränen in den Augen und diesen verletzten Ausdruck, den sie mittlerweile so gut kannte.
Sie wusste warum, nachdem sie die Schlagzeilen der
Nyheds-Posten
überflogen hatte:
»Das Frischfleisch der Bürgermeisterkandidatin« und darunter stand: »Francesca Olsen, Bürgermeisterkandidatin in Århus, begnügt sich nicht damit, junges Gemüse mithilfe von Escortfirmen aufzustöbern. Zu Hause im Bett hat sie einen festen Partner – und zwar in doppelter Hinsicht. Er heißt Asbjørn Jepsen, ist knackige 25 Jahre alt und studiert Politologie an der Universität von Århus.«
Der Artikel dazu war schnell durchgelesen und hatte praktisch den identischen Inhalt wie die Überschrift. Ergänzt wurde lediglich, dass sie sich im Internet kennengelernt hatten und ihr erstes romantisches Treffen im Scandic Hotel verbrachten, wo sie eine Suite für eine Nacht gebucht hatte. Daraus schloss sie, dass ein Angestellter oder wahrscheinlich ehemaliger Angestellter des Hotels diese Information an die Presse weitergegeben hatte. Außerdem wurde erwähnt, dass Asbjørn im Stadtteil Trillegården wohnte, und zwar interessanterweise genau dort, wo Francesca Olsen an jenem berühmt gewordenen Abend einen Vergewaltiger krankenhausreif geschlagen und eine junge Frau vor einer furchtbaren Erfahrung bewahrt hatte. Dieses Detail war nicht besonders schwer zu ermitteln, man musste nur Asbjørn Jepsen im Telefonbuch nachschlagen.
»Es tut mir so furchtbar leid, caro.«
Sie setzte sich neben ihn aufs Bett und strich ihm über den Rücken. Er hatte sein Gesicht in den Händen vergraben. »Ich kann sehr gut verstehen, wenn du hier rauswillst. Ich kann nicht verlangen, dass du so etwas aushalten musst.«
»Ich will hier nicht raus. Aber vielleicht stimmt es ja«, seine Stimme klang dumpf, sie sprach mit seinem Nacken. »Vielleicht bin ich ja auch gar nicht mehr für dich.«
»So ein Unsinn! Du bist so viel für mich.«
Sie meinte das aufrichtig und küsste seinen Nacken und dann die tränennassen Wangen, um ihre Worte zu unterstreichen. Aber vielleicht wäre er doch nicht so froh, wenn sie ausführen würde, was er für sie bedeutete, dachte sie dabei: Du bist derjenige, der mich davor bewahrt, verrückt zu werden. Ich willdich, weil du nicht mehr von mir verlangst, als ich dir geben kann. Dich kann ich kontrollieren, du überforderst mich nicht. Ich liebe dich auf die Art und Weise, wie ich lieben will. Und du liebst mich so – im Großen und Ganzen –, wie ich geliebt werden möchte. Du begehrst mich, gibst mir Halt, und du stellst nicht so viele Fragen.
Aus ihren Küssen wurde mehr, und sie ließ ihn gewähren, unter den Augen der einsamen Jesusfigur an der Wand tröstete er sie beide. Hinterher starrte sie an die Decke und zuckte zusammen, als sie sich an ihre Gedanken zuvor erinnerte. Ihr wurde bewusst, dass ihr Verhältnis – abgesehen von der Gewalt – ihrer Ehe mit William zum Verwechseln ähnelte. Es gab nur einen entscheidenden Unterschied: Dieses Mal war sie der Boss.
»Die Presse wird dich ansprechen. Am besten ist, wenn du gar nichts sagst. Verweise sie einfach alle an mich, ich kümmere mich um die.«
Sie lagen eng aneinandergeschmiegt, sie hörte sein Herz schlagen und spürte eine große Zuneigung.
»Ich schäme mich für nichts«, sagte er.
»Das weiß ich, und ich danke dir dafür. Aber bitte, der Einfachheit halber, lass bitte mich mit der Presse reden, okay?«
Sie sah ihm in die Augen, Stolz kämpfte gegen Nervosität. Dann schließlich nickte er und seufzte.
»Okay, wenn es dich glücklich macht.«
Sie lächelte und küsste ihn auf die Brust.
»Glücklich ist heute vielleicht nicht gerade das passende Wort.«
Es gelang ihr aber dennoch, ihn zu beruhigen. Sie schickte ihn nach Hause mit dem Versprechen, dass sie sich später sehen würden, wusste aber schon, dass sie diese Verabredung wieder absagen musste. Es gab so vieles zu erledigen. Die Partei wollte beruhigt werden, und auch in Hinblick auf die Presse musste sie Schadensbegrenzung betreiben. Letzteres würde unter Umständennicht so schwer werden, da es in denselben Themenbereich wie die Escortfirmen fiel. Aber sie wusste, dass die Bombe bald platzen würde. Jetzt
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