Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
Korb mit der Dreckwäsche, den sie ins Wohnzimmer geschleppt hatten, weil die Handwerker die Decke im Waschkeller rausreißen sollten; daneben die Körbe mit der sauberen Wäsche, die noch nicht zusammengelegt worden war. Dazu kamen die Unmengen an Zeitschriften und Zeitungen, die in wilden Haufen herumlagen, sowie ein paar leere Rotweingläser vom Abend zuvor, die neben den ebenfalls leeren Pizzakartons standen.
»Ich habe es noch nicht geschafft aufzuräumen. Meine Tochter aus Kopenhagen ist zu Besuch gekommen.«
Sie hatte keine Ahnung, warum sie Lena Lund freiwillig und ohne Not diese Information hinwarf. Vielleicht lag es an ihrem Blick, durstig danach, alles zu erfahren.
»Soweit ich erfahren habe, stehen Sie und Ida Marie Svensson einander sehr nah. Ein großes Glück, dass niemand von Ihnen bei der Explosion zu Schaden gekommen ist.«
Dicte nickte und fragte sich, wann die Polizistin endlich zur Sache kommen würde.
»Haben Sie sich gefragt, ob diese Bombe mit Ihnen zu tun haben könnte?«
Was sollte sie darauf antworten? Ihr Instinkt ließ sie im Stich und rannte in alle Richtungen davon. Am Ende nickte und schüttelte sie den Kopf gleichzeitig.
»Natürlich habe ich auch Feinde, aber wie wäre dann die zweite Bombe zu erklären?«
»Es ist noch nicht bewiesen, dass die beiden Detonationen in Zusammenhang miteinander stehen.«
Innerlich verdrehte Dicte die Augen.
»Aber Sie haben da eine Vermutung, richtig?«
»Wir ermitteln in alle Richtungen, darum wollte ich Sie fragen, ob Sie irgendwelche Drohungen erhalten haben?«
»Ich bekomme in regelmäßigen Abständen Drohungen. Das gehört zu meinem Job.«
»War etwas Spezifisches über das Solarium dabei?«
»Nein.«
»Warum gehen Sie mit den Drohungen nicht zur Polizei?«
Sie erzählte, dass sie das am Anfang sehr wohl getan habe, aber die Polizei nach einer Zeit ziemlich genervt davon gewesen sei. Außerdem habe sie nie damit gerechnet, dass irgendjemand Ernst machen würde.
»Das ist doch alles nur heiße Luft. Die wollen Dampf ablassen und haben einen Ort gefunden, wo sie ihren Ärger loswerden können.«
»Aber es waren keine Drohungen bezüglich des Solariums dabei?«
»Nein.«
Das war keine Unwahrheit, fand sie. Keine richtige.
»Wer wusste, dass Sie an besagtem Tag dorthin wollten?«
»Meine Kollegen, mein Lebensgefährte. Und Ida Marie natürlich, haben Sie schon mit ihr gesprochen?«
Sie sah den Berg Arbeit vor sich, der Lena Lund bevorstand, wenn sie alle Freunde auf Ida Maries Facebook-Profil durchgehen wollte, und musste fast lächeln. Allerdings würden sie auf diesem Weg auch auf Peter Andreas Dorn stoßen, und dieser Gedanke gefiel ihr aus irgendeinem Grund überhaupt nicht. Genau genommen gefiel ihr dieses Gespräch schon gar nicht.
Lena Lund wischte die Frage einfach mit einer neuen Gegenfrage vom Tisch.
»Noch einmal. Was sagt Ihnen Ihr Gefühl? Könnte die Explosion etwas mit Ihrer Person zu tun haben?«
In diesem Moment sagte ihr Gefühl nur, dass diese junge Polizistin in eigener Sache unterwegs war. Quer über ihr perfektes Gesicht stand in großen Buchstaben Ehrgeiz geschrieben. Nicht dass Dicte damit ein Problem hätte, aber irgendein Detail versetzte alle ihre Instinkte in Alarmbereitschaft.
»Das kann ich mir kaum vorstellen.«
Sie hoffte, dass ihr neutraler Gesichtsausdruck überzeugend genug war. »Vielleicht hat das doch alles mit dem Bandenkrieg zu tun?«
Lena Lund sah sich im Wohnzimmer um. Dicte unterdrückte den Reflex, aufzuspringen, den Staubsauger hervorzuholen und gegen den Korb mit der Dreckwäsche zu treten.
»Das kann schon sein. Aber Sie sind ja keine Unbekannte in der Stadt, außerdem dafür bekannt, quasi Hand in Hand mit der Polizei zu arbeiten.«
War da ein Vorwurf in ihrer Stimme zu hören? Das war schwer zu sagen. Lena Lund zog ihre Visitenkarte aus der Brusttasche ihrer Anzugsjacke.
»Es wäre schön, wenn Sie uns die Polizeiarbeit machen ließen. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich bei mir melden, sobald Sie etwas Neues erfahren, was uns weiterhelfen könnte.«
»Ich habe schon auf dem Präsidium angerufen und angegeben, dass ich den Mann mit dem Rucksack auf dem Weg durch die Fußgängerzone hoch zur Østergade gesehen habe. Und ich war da und habe bei Ihrem Kollegen Jan Hansen meine Zeugenaussage unterschrieben.«
Wenn sich schon die Gelegenheit bot, konnte sie genauso gut ihr Ansehen ein bisschen aufpolieren. Aber Lena Lund schien kein bisschen beeindruckt zu sein. Sie
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