Rachmann, Tom
für dich tun könnte?«
»Wozu?«
»Um zu helfen.«
»Ich will keine Hilfe von dir.«
»Na gut«, sagt er. »Na gut,
dann.« Er nickt, seufzt und geht zur Tür.
Sie kommt hinterher. Er
streckt die Hand aus, will sie auf ihren Arm legen, aber sie zieht ihn weg. Sie
hält ihm die Schachtel Calissons hin. »Ich kann die nicht gebrauchen.«
Zu Hause geht er wieder seine
Sammlung Telefonnummern durch, schließlich ruft er einen alten Reporterkumpel
an. Ken Lazzarino ist jetzt bei einer Illustrierten, in Manhattan. Sie
tauschen Neuigkeiten aus und schwelgen ein paar Minuten in Nostalgie, aber das
Gespräch hat einen Unterton: Sie wissen beide genau, Lloyd will etwas und
bringt es nicht über die Lippen. Irgendwann ringt er sich doch durch: »Und wenn
ich euch was anzubieten hätte?«
»Du hast nie für uns geschrieben,
Lloyd.«
»Nein, klar, fiel mir nur grad
so ein.«
»Ich mache sowieso mehr
Strategisches für unsern Online-Auftritt - auf Heftinhalte hab ich gar keinen
Einfluss mehr.«
»Könntest du mich mit jemandem
in Kontakt bringen?«
Lloyd hört sich noch die verschiedenen
Varianten von Nein an, dann legt er auf.
Er isst die nächste Dose
Kichererbsen leer und versucht noch einmal sein Glück bei Menzies. »Wie wär's,
wenn ich euch heute die Europa-Übersicht für die Wirtschaft mache?«
»Macht jetzt Hardy Benjamin.«
»Ich weiß, ist für euch die
Härte, dass dieses E-Mail-Dings bei mir nicht funktioniert. Aber ich kann's
faxen. Ist doch egal.«
»Nein, ist es nicht. Pass auf,
ich ruf dich an, wenn wir was aus Paris brauchen. Oder ruf du an, wenn du
irgendwas Nachrichtenmäßiges hast.«
Lloyd schlägt ein
französisches Nachrichtenmagazin auf, vielleicht lässt sich da irgendeine Idee
abstauben. Unwirsch blättert er darin herum - die Hälfte der Namen sagen ihm
null. Und wer zum Teufel ist der Typ auf dem Foto da? Er wusste mal alles, was
in diesem Land los war. Saß bei Pressekonferenzen grundsätzlich in der ersten
Reihe und riss den Arm hoch und rannte danach den Leuten hinterher, um sie
weiter mit Fragen zu bombardieren. Bei Botschaftsempfängen schlängelte er sich
zum Botschafter durch, grinste kurz, und schwups war der Notizblock gezückt.
Wenn er heute überhaupt mal zu einer Pressekonferenz geht, sitzt er kritzelnd
und dösend ganz hinten. Die Einladungen auf geprägtem Papier stapeln sich auf
seinem Kaffeetischchen. Scoops rauschen an ihm vorbei, große wie kleine. Für
Normalkram allerdings reicht's noch allemal - den kriegt er sogar betrunken
hin, mit geschlossenen Augen, in Unterwäsche und Socken an seinem Word Processor.
Und manchmal schreibt er so was auch noch.
Er wirft das Magazin auf einen
Stuhl. Ob ein Versuch was bringt? Er ruft seinen Sohn auf dem Handy an. »Hab
ich dich geweckt?«, fragt er. Sie sprechen französisch miteinander.
Jerome legt die Hand aufs
Telefon und hustet.
»Ich dachte, ich könnte dich
nachher zum Mittagessen einladen«, sagt Lloyd. »Musst du nicht längst im Ministerium
sein?«
Jerome hat einen Tag frei,
also verabreden sie sich in einem Bistro nahe der Place de Clichy, denn
irgendwo da wohnt der junge Mann, aber wo genau, ist für Lloyd ein ebenso großes
Rätsel wie auch, was er im französischen Außenministerium eigentlich macht.
Jerome ist ein kleiner Geheimniskrämer.
Lloyd geht etwas früher ins
Bistro und sieht sich erst mal die Preise an. Er klappt seine Brieftasche auf,
zählt sein Bargeld, dann setzt er sich.
Als Jerome hereinkommt, steht
Lloyd auf und lächelt ihn an. »Ich hatte beinahe vergessen, wie stolz ich auf
dich bin.«
Jerome setzt sich hastig hin,
als spielten sie beide Reise nach Jerusalem. »Du bist ein komischer Typ.«
»Ja. Stimmt.«
Jerome schlägt seine Serviette
auf und fährt mit der anderen Hand so lange durch seine weichen Locken, bis
sie sich zu zotteligen Haarzelten türmen. Seine Mutter, eine
Bühnenschauspielerin mit nikotingelben Fingern, hatte sich auf die gleiche Art
die Haare verwuschelt. Lange Zeit hatte diese Angewohnheit sie noch attraktiver
gemacht, aber irgendwann bekam sie keine Rollen mehr und sah nur noch
ungepflegt aus. Jerome ist mit achtundzwanzig schon abgestrapst, sieht aus wie
beim Trödler eingekleidet, in diesem Samtsakko mit aufgekrempelten Ärmeln und
dem viel zu engen Nadelstreifenhemd mit dem Riss in der Brusttasche, durch den
Zigarettenblättchen zu sehen sind.
»Du, ich kauf dir ein Hemd«,
sagt Lloyd spontan. »Du brauchst doch ein anständiges Hemd. Wir fahren zu
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