Rachmann, Tom
wissen, Eileen?«
»Muss
interessant sein, im Ministerium zu arbeiten.«
»Vielleicht
steht er da bloß am Kopierer, weiß man's?«
»Nein,
das glaub ich nicht.«
»Aber ich muss sagen, ich find
das schon irgendwie komisch.«
»Komisch - was?«
Lloyd zögert. »Na, dass er -
er weiß ja, womit ich mein Geld verdiene, das hat geholfen, ihn großzuziehen,
und hat seine Kindheit finanziert -, er weiß genau, ich bin Reporter, aber er
hat mir nicht ein einziges Mal irgendetwas gesteckt, irgendeinen Tipp aus
seinem Ministerium. Ist keine Tragödie. Man würd's bloß einfach erwarten.«
»Vielleicht hat er nichts zum
Stecken.«
»Ich weiß genau, wie solche
Stellen funktionieren. Der Junge hat Stoff, den ich gebrauchen könnte.«
»Wahrscheinlich darf er mit
Journalisten nicht reden.«
»Das darf keiner. Aber alle tun's.
Nennt man Leaking.«
»Ich weiß, wie man das nennt.«
»Entschuldige, war nicht so
gemeint.« Er legt ihr die Hand auf den Arm. »Ist schon gut. Geht mir schon
wieder besser.«
Am nächsten Morgen wacht er
auf und ist zornig. Irgendetwas hat ihn im Schlaf wütend gemacht, aber er weiß
nicht mehr, was. Als Eileen zum Frühstück kommt, schnauzt er sie an, sie solle
wieder gehen und bei Didier essen. Sie geht, und er wünscht sich, sie wäre
geblieben, hätte nachts auch hier geschlafen. Er klappt seine Brieftasche auf.
Er weiß genau, wie viel Geld drin ist, er zählt es trotzdem. Wenn er nicht bald
etwas verdient, muss er raus aus der Wohnung. Und Eileen würde nicht mitziehen.
Wo soll er hin ohne sie? Er
braucht Geld. Er braucht eine Story.
»Schon der zweite Tag, an dem
ich dich wecke. Wann stehst du denn normalerweise auf?«, fragt er Jerome am Telefon.
»Hör mal, wir müssen uns noch mal treffen.«
Jerome kommt ins Café und
schüttelt seinem Vater die Hand. Lloyd sagt wie einstudiert: »Entschuldige,
dass ich dich noch mal belästige. Aber ich muss etwas Wichtiges checken, jobmäßig.«
»Mit mir?«
»Nur eine Kleinigkeit. Ich
sitze an einer Sache zur französischen Außenpolitik. Ist dringend. Muss das
heute abgeben. Heute Nachmittag.«
Jerome lehnt sich im Stuhl
zurück. »Ich weiß nichts Brauchbares.«
»Du hast doch meine Frage noch
gar nicht gehört.«
»Ich weiß echt gar nichts.«
»Was machst du da überhaupt?«,
braust Lloyd auf, beruhigt sich dann aber. »Ich meine, du weißt ja noch gar
nicht, was ich wissen will. Du bist doch da jetzt bestimmt schon drei Jahre.
Ich darf dich nicht besuchen, du erzählst mir nichts. Bist du da bloß der
Hausmeister und genierst dich, das zuzugeben, was?« Er lacht. »Einen
Schreibtisch hast du da doch wohl, oder?«
»Ja.«
»Na schön, dann eben Quiz. Du
gibst weiter einsilbige Antworten. Ich reim's mir dann zusammen. Steht dein
Schreibtisch dicht beim Büro des Ministers? Oder weit weg?«
Jerome rutscht angespannt hin
und her. »Weiß nicht. Mittelweit.«
»Mittelweit heißt nahe dran.«
»Nicht sehr nahe.«
»Um Himmels willen, das ist ja
wie Zähneziehen. Hör mal, ich brauch 'ne Story. Denk bitte mal für mich mit,
nur eine Minute.«
»Ich denke, du hast eine
bestimmte Frage.«
»Kriegst du eigentlich
irgendwas mit? Ich hab dich gestern zum Essen eingeladen.« Er setzt schnell
hinterher: »War 'n Witz.«
»Das geht nicht.«
»Ich will dich ja nicht
zitieren. Du sollst da auch keine Unterlagen klauen oder sonst was.«
»Was willst du denn dann?«
»Bin nicht sicher. Irgendwas
mit Terrorismus-Bezug vielleicht. Oder was mit Irak. Oder Israel.«
»Ich weiß nicht«, sagt Jerome
sanft zu seinen Knien.
Die anderen Kinder hätten
Lloyd längst abserviert. So folgsam ist nur Jerome. Die drei Töchter sind alle
wie Lloyd selbst - immer auf irgendwas aus, hinter irgendwas her. Jerome
dagegen begehrt nie auf. Er ist als Einziger loyal. Und wie zum Beweis sagt er:
»Da wäre höchstens diese Sache mit der Gaza-Force.«
»Was für 'ne Gaza-Force?«,
Lloyd springt sofort an.
»Ich weiß die Einzelheiten
nicht alle.«
»Augenblick, halt mal, das
Ministerium erwägt eine Gaza-Force?«
»Ich glaube, so was habe ich
gehört.«
»Du glaubst?«
»Ich glaube, ja.«
Lloyd strahlt. »Das könnte
eventuell was sein. Könnte es, könnte es.« Er zückt ein Notizheft und kritzelt
hinein. Zieht Jerome die Goldklumpen aus der Nase, zerrt, reißt, zwirbelt daran
herum. Ein Schauder durchzuckt ihn: In so was ist er gut. Jerome will immer
wieder dichtmachen. Aber zu spät - Lloyd hat ihn geknackt. Da kommt noch was.
Komm,
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