Rachsucht
wartete.
Wie hatte sie wissen können, welchen Weg ich nehmen würde? Stand Rudenski über sein Handy mit ihr in Kontakt? Ich ging neben einem Baum in Deckung.
»Ev, sag was.«
Ich drückte das Mobiltelefon an mein Bein und schlich durch die Bäume. Wenn ich es an dem Wagen vorbeischaffte, hatte ich eine Chance, die Straße zu überqueren, ohne dass sie mich bemerkte. Ich schlitterte die unbefestigte Böschung
herunter, stürmte über die Straße und hechtete auf der anderen Seite ins Gebüsch.
Als ich mich umsah, stellte ich fest, dass ich in einer weiteren Schlucht gelandet war. Vor mir erhob sich ein mit immergrünen Eichen bestandener Hang. Ich entdeckte einen Pfad und steuerte darauf zu. Geschafft!
»Ich glaube, ich hab sie abgehängt. Ich treffe dich hinter der Bergkuppe auf der Foothill Road.«
»Bist du dir sicher, dass Rudenski damals gefahren ist?«, fragte Jesse.
»Ja.«
»Brands BMW.«
»Hundertprozentig. Isaacs Kruzifix liegt in einem Museum in seinem Keller.«
Er schwieg, während ich den Pfad hinaufjoggte.
»Mein Albtraum. Der Mann ist Kenny Rudenski«, stellte Jesse fest.
»Ich weiß.«
»Nachdem er uns über den Haufen gefahren hatte, wollte er nachschauen, ob wir tot waren. Er ist den Hang runtergeklettert …« Pause. »In meinem Traum starre ich immer in die Sonne. Er hat mich umgedreht.«
»Er hat dich für tot gehalten.«
»Oder seine Freundin hat Stu Pyles Lieferwagen gehört und …«
Plötzlich begriff ich. »Mari Diamond war in der Nacht mit Brand zusammen.«
»Aber wenn Brand nicht im Auto war, war sie es auch nicht.«
»Der anonyme Anruf«, sagte ich. »Jemand hat Brand die Sache angehängt.«
Ich folgte dem Pfad bergauf und tat mein Bestes, um nicht über Spurrinnen und Steine zu stolpern.
Hinter mir auf der Straße hörte ich Harleys Stimme. »Kenny, ich hab sie! Sie läuft den Berg rauf.«
Sie hatte mich? Wie das? Ich fuhr herum. Der Mercedes wendete gerade. Woher wusste sie, wo ich war? Der Lichtkegel ihrer Taschenlampe wanderte auf meiner Seite der Straße über die Büsche, bis sie den Pfad entdeckt hatte.
»Kenny!«, rief sie.
Ich rannte weiter. »Jesse, sie hat mich geortet.«
»Wie kann sie dich orten?«
Ja wie? Ich überlegte. Es gab nur eine Antwort: mein Handy.
»Verdammter Mist!«
Mein Mobiltelefon verfügte über ein mobiles Ortungssystem, das Polizei oder Bergungsteams meinen Standort mitteilen konnte. Leider auch jedem anderen mit einem entsprechenden Empfänger.
»Mein Telefon gibt Funksignale ab«, sagte ich.
»Was?«
»Die haben mein Handy so umgebaut, dass es ein Ortungssignal aussendet. Deswegen ist der Akku auch ständig leer. Das Ding übermittelt permanent meine Position.«
Vermutlich gehörte es zu ihrer Programmierung, dass kein Notruf möglich war. Dann kam mir ein furchtbarer Verdacht. »Jesse, vielleicht hören sie unser Gespräch ab.«
Der Motor brüllte auf. Harley wusste, dass ich ständig in Bewegung war, und würde nicht warten.
»Ich muss das Handy loswerden«, sagte ich.
Nun hatte ich den Hügelkamm erreicht. Mittlerweile war ich ziemlich außer Atem.
»Ich bin etwa anderthalb Kilometer westlich von Rudenskis Haus«, sagte ich.
Jesses Stimme veränderte sich. »Okay. Du weißt, wo du hinmusst.«
Ich hatte keine Ahnung.
»Es gibt nur eine Möglichkeit.«
Als ich seinen feierlichen Ton hörte, wusste ich Bescheid. Er hatte recht.
»Ich werde da sein.«
»Ich auch.« Seine Stimme wurde hart. »Rudenski, hörst du mit? Deine Zeit ist abgelaufen. Du bist erledigt, du widerwärtiges Stück Scheiße. Mit dir ist es vorbei, du miese Ratte, du …«
Ich schleuderte das Telefon ins Gebüsch und rannte. Zum Mission Canyon.
34. Kapitel
Durch hohes Gras lief ich die Böschung in Richtung Straße hinunter. Vor mir glänzten Eukalyptusbäume silbrig im Mondlicht. Unter mir, wo sich der Mission Canyon am Fuß der Berge öffnete, funkelten die Lichter der Stadt. Hier war Isaac gestorben.
Ich überquerte die Straße, ließ mich über den Rand gleiten und legte mich unterhalb des Banketts außer Sicht auf den Boden. Das Gras um mich herum raschelte.
Komm schon, Blackburn, gib Gas.
Ich wusste, dass er nicht noch einmal bei der Polizei angerufen hatte. Wenn seine Telefonate abgehört wurden, hätte er damit Rudenski meine Position verraten und ihm einen Vorsprung verschafft. Außerdem wollte Jesse ihn selbst ausschalten.
Das musste ich unbedingt verhindern. Schließlich wollte ich nicht, dass er den Rest seines Lebens im
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