Radau im Reihenhaus
denn die Eier! Gekocht, gebraten oder intravenös?«
Seine Augen zeigten Mordgelüste. »Widerliches Weib! Dem Himmel sei Dank, daß ich nie geheiratet habe und trotz aller Anfeindungen immer noch Junggeselle bin.«
»Ich weiß. Deshalb kommst du ja auch jeden dritten Tag aus einer anderen Richtung in deinen Laden!«
Felix zog es vor, schweigend zu verschwinden.
Nach einem frugalen Frühstück aus Ölsardinen, Knäckebrot, Bier und Aspirintabletten fühlte er sich wieder tatendurstig. »Wo fangen wir an?«
»Unten!«
»Hier in der Küche? Das ist aber Frauensache.«
»Unten bedeutet Keller. Sieh zu, daß du die verflixte Heizung in Gang bringst, ich brauche endlich mal warmes Wasser.«
Als die Millionärssiedlung in Monlingen gebaut wurde, benutzte man Erdöl noch vorwiegend zur Herstellung von Benzin, Plastiktüten und Campinggeschirr. Kaum jemand wußte, was ein Barrel ist, es gab noch keine OPEC und keine Sparappelle, und das Wort »Ölkrise« bedeutete allenfalls, daß der nächste Supermarkt statt der sonst üblichen acht Sorten Salatöl nur zwei vorrätig hatte. Daß man Erdöl auch zum Heizen verwenden kann, begann sich erst langsam herumzusprechen. Bis nach Monlingen war diese Kunde noch nicht gedrungen. Dort heizte man mit Kohle. Kachelöfen und sogenannte Allesbrenner dominierten, besonders Fortschrittliche stellten auf Zentralheizung um. Und wie es sich für Millionäre gehörte, besaßen auch die Bewohner des Wiesengrundes zentralgeheizte Häuser.
Für uns war das nichts Neues. Wir hatten bisher immer in Neubauten gewohnt, an kalten Tagen die Heizkörper aufgedreht und zweimal im Jahr eine Abrechnung bekommen, die jedesmal unseren Etat über den Haufen geworfen hatte. Nun würden wir endlich einmal an der Heizung sparen können, denn es lag ja ausschließlich an uns, wie oft und wie maßvoll wir den Kessel füttern würden. Zunächst mußte er aber in Gang gesetzt werden.
In einem Anfall von Leichtsinn hatte Rolf zehn Zentner Koks anfahren lassen, die in einem Verschlag darauf warteten, ihrer Bestimmung zugeführt zu werden. Um die mögliche Gefahr der Selbstentzündung durch Funkenflug auszuschalten, befand sich der Heizkessel an dem einen Ende des recht geräumigen Kellers, der Verschlag am entgegengesetzten. Zwischenraum: Sechs Meter.
Felix inspizierte den Tatort und machte sich ans Werk. Nun riskieren die meisten Männer lieber ein Unglück, als daß sie eine Gebrauchsanweisung läsen. Daß etwas nicht stimmte, merkte ich erst, als dicke Rauchschwaden unter der Tür hervorquollen und die Küche – einziger Zugang zum Keller – in Sekundenschnelle einnebelten. Ich riß die Kellertür auf, gerade rechtzeitig, um einem hustenden, spuckenden und röchelnden Etwas den Weg ins Freie zu zeigen.
Felix sah aus, als habe er soeben eine Achtstundenschicht im Kohlebergwerk hinter sich. »Entweder bin ich zu dämlich, oder der Kessel ist kaputt«, krächzte er.
»Der Kessel ist nagelneu«, bemerkte ich in der Hoffnung, Felix würde die Alternative akzeptieren.
»Na, dann fehlt eben irgend etwas, das da sein müßte. In einer normalen Heizung zündet man ein Feuer an, und wenn es brennt, schippt man die Kohlen drauf.«
»Aba vorher macht man die Lüftungsklappe uff!« klang es von dorther, wo ich das Fenster vermutete. Obermüller, von Frau Wittinger alarmiert, hatte vorsichtshalber noch nicht die Feuerwehr in Marsch gesetzt, sondern sich erst einmal selbst davon überzeugen wollen, ob es tatsächlich bei uns brannte.
»Das ist ja das Malheur, es brennt
nicht!«
hustete Felix. Obermüller band ein nasses Handtuch vor sein Gesicht und tastete sich todesmutig in die Räucherkammer. Der Zustrom von Rauchschwaden hörte auf, und als der Qualm endlich abgezogen war, erteilte uns Obermüller vor Ort Unterricht in Pflege und Wartung von Zentralheizungskesseln.
»Wenn det Ding erst mal richtig in Jang jekommen is, jeht allet andere beinahe automatisch«, beendete er seine Ausführungen.
Langsam begann ich zu ahnen, was da auf mich zukam. Automation ist doch bloß der Versuch des Mannes, die Arbeit so leicht zu machen, daß die Frau sie tun kann.
Nachdem Felix wieder gesäubert und dank der nun wenigstens lauwarmen Dusche auch halbwegs nüchtern war, packte er zu – kräftig unterstützt von Michael, der unermüdlich leere Pappkartons verbrannte, Zigaretten holte, Kaffee kochte und Fragen stellte.
Nun gehört Felix zu jenen Menschen, die eine Stunde lang reden können, ohne zu erwähnen, worüber sie
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