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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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»und ich würde dir mit Freuden zur Seite stehen, aber mein Rheuma ist wieder einmal ganz besonders schlimm, so daß ich dir doch nur eine Last wäre. Du hättest ja auch gar keine Zeit, mir meine Diät zu kochen. Ich besuche euch dann lieber im Frühjahr. Da kann ich auch ein bißchen länger bleiben, weil ihr in eurem neuen Haus sicherlich mehr Platz habt. Ach, ich liebe doch das Leben auf dem Lande so sehr! Wenn ich da an die Jagdsaison bei meinem Onkel, dem Rittergutsbesitzer von Harpen, denke…«
    Nun ja, es blieb abzuwarten, was Tante Lotti hier jagen wollte. Stechmücken vielleicht oder Pferdebremsen.
    Immerhin galt Tante Lotti als kompetent in allen Fragen der Etikette, und sie hatte mich auch bereitwillig über alles das aufgeklärt, was ich gar nicht wissen wollte.
    »Zu einem solchen Anlaß trägt man dezente Straßenkleidung ohne modische Extravaganzen. Blumen nimmt man selbstverständlich nicht mit, aber es ist opportun, Visitenkarten bei sich zu haben, die man hinterläßt, wenn man niemanden angetroffen hat.« (Bei wem, bitte sehr, sollte ich wohl die Karten hinterlassen?) »Ein Anstandsbesuch sollte sich auf zwanzig Minuten beschränken, im Höchstfall auf eine halbe Stunde. Serviert wird im allgemeinen Sherry oder Portwein, mitunter pflegen die Herren auch eine Zigarre zu rauchen. Heutzutage wird man wohl auch Zigaretten reichen… «
    In diesem Stil ging es so lange weiter, bis ich Tante Lotti unterbrechen und sie darauf aufmerksam machen konnte, daß die königlich-preußischen Zeiten seit einigen Jahrzehnten vorbei wären und inzwischen auch die Damen rauchten.
    »Dessen bin ich mir bewußt, mein Liebes«, klang es pikiert zurück, »aber gutes Benehmen wird niemals unmodern. Es ist bedauerlich, daß die heutigen Erzieher so gar keinen Wert mehr auf Anstand und Sitte legen.«
    Daran erinnerte ich mich, als Rolf am Sonntagvormittag Punkt elf Uhr auf den Klingelknopf von Nr. 10 drückte.
    »Am besten fangen wir mit Vogts an«, hatte er vorgeschlagen. »Die werden wir wohl in einer Viertelstunde hinter uns bringen können. Dann gehen wir zu den beiden Damen in Nummer zwölf und als Abschluß zu dem Tropendoktor. Mir schwant nämlich, daß ich – wenn überhaupt – Likör trinken muß, und bei Dr. Brauer gibt es wenigstens anständigen Whisky. Wehe, wenn Michael geschwindelt hat!«
    Herr Vogt öffnete die Tür. Er war mittelgroß, hatte wäßrige Froschaugen, schüttere semmelblonde Haare und machte einen sehr verschüchterten Eindruck – wie ein Buchhalter, dem man gerade eröffnet hat, daß in seiner Schlußbilanz hundertdreiundachtzig Mark fehlen.
    Überrascht musterte er uns und hob fragend die Augenbrauen. »Sie wünschen, bitte?«
    »Mein Name ist Sanders. Wir sind vor ein paar Tagen in das Haus Nummer vier eingezogen und möchten uns gern bekannt machen. Immerhin sind wir jetzt Nachbarn und halten es für richtig, daß wir uns gegenseitig kennenlernen.« Rolf machte das großartig!
    Einen Augenblick zögerte Herr Vogt, dann geruhte er, uns hereinzubitten. »Das finde ich aber sehr aufmerksam, äh, ja, sehr aufmerksam finde ich das. Wenn Sie vielleicht eintreten wollen…«
    Er führte uns ins Wohnzimmer und nötigte uns in zwei grüne Samtsessel, über deren Lehnen Spitzendeckchen hingen. »Wenn Sie mich einen Augenblick entschuldigen, dann hole ich schnell meine Gattin.«
    Er entschwand, und ich sah mich neugierig um. Die Einrichtung bestand aus Gelsenkirchner Barock der gehobeneren Preisklasse. Glänzend polierter Wohnzimmerschrank aus Nußbaum mit viel Glas, dahinter Sammeltassen, ein paar Vögel aus buntem Porzellan sowie sechs Bücher mit Lederrücken und ein Fernglas. Von den grünen Sesseln gab es drei Stück, dazu ein Sofa, auch in Grün, dessen Rückenlehne ebenfalls mit Deckchen verziert war. Eine Häkeldecke lag auch auf dem runden Tisch, und ich fing gerade an, die Fransen zu zählen, als Herr Vogt zurückkam. Ihm folgte seine Frau, die ein ziemlich ratloses Gesicht machte. Sie war klein und rundlich und trug zu einem lindgrünen Jackenkleid schwarze Schnürschuhe – von Rolf später als Sumpftreter bezeichnet. Vermutlich hatte sie sie gerade erst angezogen, denn neben der Haustür hatte ich mehrere Paar Filzpantoffeln bemerkt, die ganz offensichtlich als Parkettschoner gedacht waren. Vielleicht hätten wir vor Betreten des Zimmers auch hineinschlüpfen sollen.
    Herr Vogt räusperte sich. »Liebe Ursula, darf ich dich unseren neuen Nachbarn vorstellen? Das sind Herr und

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