Radegunde von Thueringen
ohnehin schon war.
„Er sieht aus wie eine Dohle!“, flüsterte Basina und kicherte. Venantius stand aus Gründen der Schicklichkeit etwas abseits im Hintergrund und zwinkerte ihr zu.
„Liebe Schwestern in Gott! Ich möchte euch unseren neuen Beichtvater und Priester vorstellen. Bischof Maroveus wird sich in Zukunft um das Heil unserer Seelen kümmern. Er folgt unserem seligen Bruder Pientus im Amt, für welchen wir heute inständig beten werden.“
Sie ging an ihren Platz und senkte demütig den Kopf. Die Nonnen taten es ihr gleich.
Der Bischof trat an den Altar und begann, die Sonntagsmesse zu lesen. In seiner Predigt wählte er das Thema Armut und Bescheidenheit. Immer wieder sah er sich dabei in dem hellen und sauberen Oratorium um.
„Und wehe dem, der sich verlocken lässt vom Glanz der Hallen und dem Genuss der Speisen, vom Reichtum der Gewänder und der Gier nach Vergnügungen.“ Seine Stimme steigerte sich und wurde lauter, seine Augen schleuderten Blitze. „Denn siehe, der Herr sagt: Es ist leichter, dass ein Kamel gehe durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme.“
Er hob die Arme und zeigte auf die Nonnen, die nun wieder verängstigt zusammenkrochen. „In Demut sollt ihr leben vor Gott, dem Allmächtigen! Was nützen euch helle Häuser und warme Gewänder, wenn ihr verdammt seid in Gott? Was nützt ein voller Magen im Feuerschlund der Hölle? Im Schmutz sollt ihr kriechen und Erde sollt ihr essen. Kälte und Frost sollen eure Begleiter sein!“
Radegunde warf einen kurzen Blick zu Agnes, die den Priester verwirrt anstarrte.
„Unnützer Tand sei euch ein Abscheu!“ Mit einer unwirschen Handbewegung fegte er den Strauß Zweige vom Altar, den Radegunde vor einer Woche von einem Kirschbaum geschnitten und in ihrer Zelle zum Blühen und Duften gebracht hatte. Mit lautem Klirren zerschellte der Tonkrug an der Wand. Die Nonnen schrieen auf.
Radegunde konnte nicht anders, sie trat vor. „Haltet ein, Bischof!“
Der Priester stockte und schaute sich verdutzt um. Speichel rann ihm über das Kinn. Für einen Moment schien er nicht mehr zu wissen, wo er sich befand. Dann fixierte sein Blick die Frau, die es gewagt hatte, ihn zu unterbrechen.
„Ihr scheint nicht zu wissen, verehrter Maroveus, dass Ihr in einem Kloster predigt und nicht vor einer Gemeinde von Straftätern!“
Agnes sog geräuschvoll die Luft ein, und die Nonnen wagten nicht zu atmen. Venantius dagegen klatschte im hinteren Teil des Oratoriums halblaut Beifall.
„Was fällt euch ein? Ihr unterbrecht die heilige Predigt?“ Maroveus richtete sich zu voller Größe auf.
„Was war denn an dieser Schimpftirade heilig? Bedenkt, dass wir hier in Anlehnung an die Regeln des heiligen Caesarius leben. Wir haben weder eigenen Besitz noch essen wir Fleisch. Wir fasten jeden zweiten Tag, der Völlerei könnt Ihr uns also nicht bezichtigen. Ich schlage vor, Ihr seid eine Weile unser Gast und informiert Euch …“
„Caesarius also?“, geiferte der Bischof. „Was macht dann der junge Mann dort hinten in diesem Konvent? Ich sage: Er ist die Sünde! Und lebt ihr nicht in eurer eigenen Zelle? Caesarius sagt, alle Nonnen sollen gemeinsam in einer Zelle leben!“ Seine Stimme überschlug sich bei den letzten Sätzen.
Radegunde begriff, dass dieser Mann fanatisch und gefährlich war. Sie musste auf der Hut sein. Ihr war bewusst, dass sie mit ihrer eigenen Zelle gegen die Regeln verstieß, doch diesen kleinen Luxus würde sie sich nicht nehmen lassen. Sie mahnte sich zur Ruhe.
„Ich sagte, in Anlehnung an die Regeln. Dieses Kloster steht unter dem mächtigen Schutz der vier Könige des Frankenreiches, meiner Söhne. Mein Gemahl Chlothar selbst hat dieses Kloster unterstützt und der Äbtissin Agnes freie Hand bei der Wahl unserer Vorschriften gelassen. Sie allein entscheidet, wie wir leben!“
Der Priester knirschte mit den Zähnen. Radegunde war zwar keine Königin mehr, aber sie hatte einen ähnlichen Status. Jeder wusste, dass ihre Stiefsöhne ihr große Achtung entgegenbrachten. In diesem einen Punkt waren sie sich wenigstens einig.
Agnes hob begütigend die Hände. „Ich schlage vor, wir beenden den Gottesdienst und gehen zum Essen. Bei einem Schluck Wein beruhigen sich die Gemüter.“
Die Mahlzeit aus einer kräftigen Erbsensuppe mit frischem Roggenbrot und eingekochten Birnen ließ der Priester sich nicht entgehen, doch verabschiedete er sich anschließend sofort mit verbissenem Gesicht.
Radegunde sah
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