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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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machen.“
    „Allerdings wird Chilperich uns Probleme bereiten. Deshalb dachte ich, du würdest ihm vielleicht einen entsprechenden Brief schreiben?“
    „Das tue ich gern. Gleichwohl solltest du an die Bischöfe schreiben und ihnen das Anliegen Chilperichs nebst unserem Standpunkt dazu schildern. Es kann nicht schaden, wenn wir uns absichern.“
    „Das stimmt“, seufzte Agnes. Sie dachte einen Augenblick nach. „Vielleicht wäre es besser, sie gehen zu lassen. Sie wird nie eine gute Nonne sein, so widerspenstig, wie sie ist. Gestern hat sie mich eine ,alte Ziege‘ genannt.“
    „Ich weiß, wie schwierig sie ist, aber wir dürfen sie nicht aufgeben. Irgendwo unter ihrer stachligen Schale steckt gewiss ein süßer Kern!“
    „Möge der Herr deine Worte in die Tat umsetzen!“
    Radegunde lächelte. „Ich werde gleich hierbleiben und den Brief schreiben. Dann kann ich nach dem Mittag wieder an die Arbeit gehen.“ Sie trat an die Waschschüssel in der Ecke, um sich den Apfelsaft von den Händen zu spülen.
    „Dein Liebling Sigibert hat auch geschrieben. Er wünscht sich unseren Segen für die Geburt seines dritten Sohnes. Ein persönlicher Brief an dich lag dabei. Ich habe ihn hier.“
    Neugierig griff sie nach dem Brief. Sigiberts Siegel rief jedes Mal zärtliche Erinnerungen in ihr wach. Damals in Soisson war ihr der kleine Junge ans Herz gewachsen. Auch jetzt hatte sie noch immer ein inniges Verhältnis zu ihm. Er war der einzige unter den Söhnen Chlothars, der in ihr so etwas wie eine Mutter sah.
    Sie überflog den Brief zuerst und las dann noch einmal genau.
    … du schreibst, du benötigst einen Sekretär, der dir die lästige Korrespondenz und andere Dinge abnimmt. Ich empfehle dir wärmstens einen Jüngling, an dem du gewiss deine Freude haben wirst. Er ist ein Dichter höchster Güte und denkt auch in weltlichen Dingen praktisch und unverfälscht. Er ist auf der Suche nach einer neuen Aufgabe und ich schicke ihn dir gleich mit …
    Sie trat neben Agnes. „Sag mal, Sigibert schreibt hier, er schickt mir einen jungen Mann als Sekretär?“
    Agnes las die Zeilen und schüttelte den Kopf. „Es kam ein junger Mann mit den Briefen, ja. Ich habe ihn für den Boten gehalten und in die Küche geschickt.“ Sie lachten beide.
    „Ich werde nachsehen“, sagte Radegunde schließlich und lief hinüber zur Küche.
    Schon von weitem hörte sie Kichern und fröhliche Stimmen. Die Nonnen, die mit dem Küchendienst betraut waren, saßen und standen um einen Mann herum, der noch keine dreißig Jahre alt war. Er war schlank, aber kräftig, sein Gesicht gebräunt wie bei jemandem, der seine Zeit nicht nur über Büchern verbringt. Seine dunklen Locken hingen ihm wirr ins Gesicht. Er erzählte eine Geschichte, fuchtelte dazu mit den Händen und machte groteske Mienen. Die Nonnen lachten herzhaft und ihre Augen klebten an seinen Lippen.
    „… als der Bauer endlich begriffen hatte, dass das Schwein verloren war, schlich er nach Hause. Dort wartete aber bereits sein hungriges Weib!“ Er hob den Zeigefinger.
    „Rief diese Frau, sich nicht gezieret,
    ihr Gaumen nach dem Fleische gieret:
    Du kommst allein? Oh Not, oh Jammer!
    Ich sperr dich aus, aus meiner Kammer!”
    Die Frauen lachten, bis ihnen die Tränen in den Augen standen. Plötzlich entdeckten sie Radegunde, die erstaunt in der Tür stehen geblieben war. Sie verstummten abrupt und senkten die Köpfe.
    „Geht wieder an die Arbeit!“, sagte sie nur und trat in die Küche.
    Der junge Mann sprang eilfertig auf und verneigte sich. „Ich bin Venantius Fortunatus, ehrwürdige Schwester! König Sigibert schickt mich, der Königin Radegunde als Sekretär zu dienen!“
    „So, so. Ein glücklicher Venezianer also. Ich bin Radegunde!“ Sie reichte ihm die Hand. „Stammt Ihr aus Venetien?“
    „Ja, ich bin aus der Gegend um Treviso. Doch ausgebildet wurde ich in Ravenna.“
    Ravenna! Die Stadt, in der auch Amalaberga mit ihren Kindern eine Zeitlang gelebt hatte, doch das war viel zu lange her.
    „Was führt Euch zu uns? Haben Euch die Langobarden vertrieben?“
    „Nein, ich pilgerte zum Grab des heiligen Martin. Wisst Ihr, ich war fast blind, konnte deshalb kaum noch schreiben. All meine Ideen, meine Reime, die in mir sprudelten, musste ich aufschreiben lassen oder auswendig lernen. Es war eine schreckliche Zeit!“
    „Was geschah dann?“
    „Ich wurde geheilt, Herrin! Ich betete intensiv zum heiligen Martin, direkt an seinem Grab, stundenlang. Es wurde besser und

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