Radegunde von Thueringen
ihm sorgenvoll nach. „Das wird nicht der letzte Schlagabtausch gewesen sein. Ich glaube, wir haben heute einen gefährlichen Feind gewonnen.“
Am Heiligen Abend hatte Radegunde sich zum Küchendienst eingeteilt. Gemeinsam mit vier Nonnen kochte sie für die anderen. Bis zur Abendmahlzeit blieb nicht mehr viel Zeit, doch die Arbeit ging ihr gut von der Hand. Für Venantius, der sich nicht an die Fastenregeln halten musste, hatte sie ein Hühnchen gesalzt, mit Porree, Liebstöckel und Äpfeln gefüllt, in Kohlblätter gewickelt und dick mit Lehm umhüllt. Der irdene Klumpen lag seit einer Weile in der Glut des Herdfeuers. Als Vorspeise bereitete sie ihm einen Teller mit Käse und Eiern, gedörrten Pflaumen und Weintrauben. Dazu stellte sie den Wein bereit, den auch die Schwestern heute Abend trinken würden.
Für die Nonnen gab es dicke Pastinakensuppe mit Lauch. Zwei große Töpfe hingen über den Kochstellen, über denen bereits eine herzhaft duftende Dampfwolke hing. Im Ofen garten große Brote, die zur Feier des Tages mit hellem Mehl und Rosinen gebacken waren. Große Platten mit gekochtem Kohl und Möhren standen bereit. Eine Nonne briet duftende Eierkuchen in heißem Fett. Und schließlich hatten sie bereits gestern kleine Haferküchlein gebacken, die in Honig eingelegt, zusammen mit dem Trockenobst als süße Nachspeise sicher willkommen waren.
Schwester Clara, eine der vier Ordensfrauen, die als Ausbilderinnen von Angers gekommen waren und die Agnes im Geheimen immer noch die „Vorzeigenonnen“ nannte, war seit einer Woche krank. Ein hartnäckiger Husten und hohes Fieber quälten sie. Sie würde heute sogar Fleisch essen dürfen, zur Stärkung ihres Körpers.
Radegunde selbst fastete auch über die Feiertage jeden zweiten Tag, obwohl die Vorschriften lediglich eine durchgängige Fastenzeit vor Weihnachten vorsahen. Agnes war schon mehrmals in Versuchung geraten, ihr die übertriebene Kasteiung zu verbieten, doch bisher schien ihr Körper die Torturen zu verkraften. Und da die Äbtissin die verbissene Sturheit ihrer Freundin in diesen Dingen kannte, ging sie der Auseinandersetzung vorläufig aus dem Weg.
„Ich bringe unserem Dichter das Essen! Sein erfreutes Gesicht wird für mich ein Geschenk am heutigen Abend sein!“, verkündete Radegunde und fischte mit einer Schaufel den hartgebrannten Lehmklumpen aus der Glut. Vorsichtig schlug sie den Lehm ab und zog die verkohlten Blätter heraus. Zum Vorschein kam zartes rosafarbenes Fleisch, das sofort die ganze Küche mit seinem betörenden Duft erfüllte. Die Nonnen seufzten und schluckten, während sie um das Hähnchen herumstanden. Radegunde schob es auf einen Holzteller, dekorierte die Trockenpflaumen darum und verschwand mit dem Tablett in Richtung Gästehaus, wo Venantius seine Wohnung hatte.
Basina schnappte sich ein Kohlblatt und leckte den Fleischsaft von dem schwarzen Strunken. „Hhm. Ich werde auch anfangen zu husten, dann krieg ich auch mal wieder Fleisch zu essen.“
„Du versündigst dich! Der Herr wird dich mit einer echten Krankheit strafen!“ Baudonivia schüttelte den Kopf.
Basina streckte ihr die Zunge heraus.
„Sie hat Recht“, mahnte eine ältere Nonne, die gerade dabei war, die Brote aus dem Ofen zu ziehen. „Schwester Clara würde sicher gern auf ihr Fleisch verzichten, wenn sie gesund mit uns den heutigen Abend feiern könnte.“
„Ihr seid alle langweilig und kriecht der Mutter noch in den Hintern, wenn es sein muss!“, fauchte Basina. Wütend hackte sie auf die getrockneten Lauchstängel ein, die noch in die Suppe mussten. „Wenn ich erst Königin von Spanien bin, werdet ihr …“
„Was werden wir dann?“, unterbrach sie Radegunde, die gerade zur Tür hereinkam.
Basina wurde rot. „Nichts.“
„Ich glaube, du solltest langsam begreifen, dass du niemals Königin von Spanien sein wirst. Ich rate dir, einmal mit meinem Sekretär darüber zu sprechen, er wird dir erklären, warum das besser für dich ist.“
Das Mädchen bekam große Augen. Was wusste der Dichter über ihre geplante Hochzeit? Mit dem Jüngling sprechen zu können, erschien ihr eine sehr große Verlockung. Sie wischte sich die Hände sauber und lief zur Tür.
„Basina! Nicht jetzt! Willst du ihn bei seinem Mahl stören?“, mahnte Radegunde und wies auf die Lauchstängel, die noch gehackt werden mussten. „Im Übrigen wirst du ihn nicht allein im Gästehaus aufsuchen, hörst du? Du kannst die Gelegenheit nutzen, wenn wir uns alle im
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