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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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Refektorium treffen, um zu lesen.“
    Basina griff enttäuscht, aber ohne Widerworte nach Lauch und Messer.
    „Was hat er denn gesagt zu seinem Festmahl?“, wollte die ältere Nonne wissen.
    Radegunde lächelte. „Wartet, mal sehen, ob ich es behalten habe:
    ‚Heut war ein Tag mit festlich froher Feier,
    der Weihnachtstag, der Segenstag des Herrn.
    Da kam von dir mir Käse, kamen Eier
    und eine Schale Weins im Holz vom Kern.
    Und dann kam Fleisch, ein Hähnchen rings gezieret
    mit süßen Gaben, wie um Diskus Rund,
    so, dass nach Speisen mir’s im Gaumen gieret
    und mir der Speichel floss im geilen Mund.‘“
    Eine kleine Weile herrschte Stille in der Küche, dann klatschten die Frauen begeistert Beifall.
    Nach dem Abendessen bereiteten sich alle auf die Mitternachtsmesse vor. An den schweren Holzläden, mit denen die Fenster versperrt, und die gegen die Zugluft mit Werg ausgestopft waren, rüttelte ein scharfer Wind. Deshalb dauerte es eine Weile, bis Radegunde begriff, dass es an ihrer Tür klopfte.
    „Ja?“
    Fröstelnd trat die Nonne ein, die heute Abend ihren Dienst an der Hauptpforte versah. „Mutter, draußen vor dem Tor stehen Gäste. Sie bitten um Einlass. Ein Mädchen ist dabei, das unserem Kloster beitreten will, und dann ist da noch ein Mann …“
    „Haben sie Namen genannt?“
    „Ich konnte nicht richtig verstehen, der Wind pfeift so laut. Er sagte irgendwas wie ,Hiso‘ oder so ähnlich.“
    „Hiso?“ Plötzlich sprang sie auf. „Meinst du vielleicht Giso?“
    Die Nonne hob die Schultern, doch Radegunde griff nach ihrem Umhang und schob sie einfach beiseite. Draußen raffte sie ihre Kutte und rannte durch den Schnee zum Tor. Die Pförtnerin schloss kopfschüttelnd die Tür der Zelle und folgte ihr.
    Die kleine Sichtklappe im großen Tor war nur angelehnt. Ein pfiffiger Gauner hätte durchgreifen und die Riegel lösen können. Doch es war alles noch ordnungsgemäß verschlossen. Draußen standen zwei Gestalten, die so dick vermummt waren, dass sie nicht einmal erkennen konnte, ob es sich um Männlein oder Weiblein handelte.
    „Wer seid ihr?“
    Die größere Gestalt trat vor und zog den Wollschal vom Gesicht. „Ich weiß nicht, ob du mich erkennst, aber ich bin es, dein treuer Diener Giso.“
    Sie erschrak heftig und versuchte vergeblich, es zu verbergen. Über das früher so vertraute Antlitz zog sich eine große, offenbar brandige Wunde vom linken Unterkiefer bis zum rechten Auge, welches vollkommen zugeschwollen war. Aus dem linken Auge blitzte allerdings ein ihr gut bekanntes Feuer.
    „Gütiger Gott! Warte, ich öffne dir.“ Mit fliegenden Händen zerrte sie an Riegeln und Balken. Die Pförtnerin half ihr, die Schlupfpforte zu entriegeln. Giso stapfte herein und zog eine kleinere Person hinter sich her, deren wollener Umhang zerrissen und steif gefroren war.
    „Schnell, kommt ins Refektorium. Dort ist es warm.“
    Sie schob die beiden durch die Tür. „Ich bin gleich wieder da. Setzt euch ans Feuer.“ Sie rannte zur Zelle der Äbtissin. „Schnell, komm und sieh, wir haben Besuch! Eine echte Weihnachtsüberraschung!“
    Giso und seine Begleitung hatten inzwischen Umhänge und Kopfbedeckung abgelegt. Die beiden Frauen erblickten ein etwa zwölfjähriges Mädchen mit schmalen blauen Augen und einer rotgefrorenen Nase. Es war sehr dünn und sah erschöpft aus.
    Agnes schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Gott erbarme dich! Giso, was ist dir zugestoßen?“
    Radegunde fiel etwas ein. „Wartet, alles der Reihe nach! Ich hole zu essen aus der Küche und heiße Milch.“
    „Ein warmes Bier ist mir auch recht!“, rief Giso ihr nach.
    Bis zur Mitternachtsmesse hatten sie noch eine Stunde Zeit.
    Dann berichtete Giso stockend und mit vollem Mund. „Mit deiner Urkunde, die mich als freien Mann in Chlothars Diensten auswies, war es kein Problem, nach Thüringen zu kommen. Dort schloss ich mich Irings Söhnen an. Wie ihr sicher wisst, eroberte Chlothar beim zweiten Versuch die verlorenen Gebiete zurück. Ich bekam gegen Ende der Schlacht einen mächtigen Schlag über den Schädel, lag wohl einen ganzen Tag wie tot auf dem Schlachtfeld. Eine alte Frau zerrte mich in ihre Hütte und pflegte mich, bis ich wieder laufen konnte. Allerdings wusste ich nicht mehr, wer ich war. Ich hatte mein Gedächtnis verloren. In meinem Hemd fand ich deinen Begleitbrief eingenäht, der mich glauben ließ, ich sei ein Soldat Chlothars. Mit seiner Hilfe verdingte ich mich zunächst auf einer Wachstation

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