Radegunde von Thueringen
Arbeitsplatz einschliefen. Im ersten Morgengrauen rüttelten sie ihre Gehilfen wach, die Holzkohle heranschleppen und die Feuer wieder entfachen mussten.
Der Königshort wurde unter Gorriks strenger Aufsicht sorgfältig verpackt und auf Ochsenkarren verladen. Staunend standen die kleineren Kinder Spalier und begrüßten jede neue Truhe, jeden prall gefüllten Sack mit lautem Jubel.
Der Hof glich einem Bienenstock. Die Tore wurden nicht mehr verschlossen, denn ständig trafen Reiter ein oder verließen die Wallburg. Halbwüchsige schleppten Feuerholz aus dem nahen Wald. Die Kochfeuer brannten länger als sonst. Schafe, Schweine und Ziegen wurden geschlachtet, um die vielen Krieger versorgen zu können. Eine kurze, bange Stille trat nur dann ein, wenn Boten eintrafen, die neue Informationen über das feindliche Heer brachten. Hieß es zunächst, die Franken hätten den Rhein überschritten, so waren sie am übernächsten Tag bereits im Gebiet der Chatten und standen bald an der Werra. Als bekannt wurde, dass sie die Grenzen Thüringens erreicht hatten, gab Herminafrid den Befehl, den Königshof zu räumen.
Kiara begann, all ihr Hab und Gut in geflochtenen Reisetruhen zu verstauen, Besa half dabei.
„Wohin sollen wir nur gehen?“, jammerte sie dabei unablässig. „Nirgends werden wir sicher sein vor diesen Bestien!“
„Die Hölzerne Burg ist befestigt wie kein anderer Hof in Thüringen“, antwortete Radegunde, die in der Tür stand und nach Bertafrid Ausschau hielt. „Dort können sie uns nichts anhaben.“
„Beim Wodan, hoffentlich hast du Recht!“ Besa griff nach dem Stein an ihrem Hals.
„Räum die Felle ein, damit wir rechtzeitig hier wegkommen!“, ermahnte Kiara sie und deutete auf eine noch leer stehende Truhe. Dann wanderte ihr Blick an Radegunde vorbei und suchte sehnsüchtig den Hof ab.
„Wartest du auf deinen Liebsten?“, stichelte Besa.
„Sidan gehört zur Begleitmannschaft des Königshortes!“ Stolz klang in Kiaras Stimme.
Von draußen ertönten plötzlich laute Rufe und Peitschengeknall. Rumpelnd setzte sich ein Tross von einem Dutzend Ochsenkarren in Bewegung.
„Jetzt geht es los! Sie bringen den Königsschatz weg!“, kommentierte Radegunde ehrfürchtig und reckte den Hals, um besser sehen zu können. Kiara trat neben sie. Am Tor wartete Herminafrid mit Iring und einer kleinen Mannschaft in voller Rüstung. Ein Soldat auf einem schlanken braunen Hengst wandte lachend den Kopf mit dem glänzenden Helm und winkte herüber.
Mit unbewegtem Gesicht saß der König auf seinem Schimmel und bedachte jeden Karren mit einem prüfenden Blick. Neben einem der letzten Wagen ritt Gorrik. Seine aufgeblasene Miene ließ den Verdacht aufkommen, all das Gold und die wertvollen Schätze wären sein Eigentum. Wie selbstverständlich grüßte er den König und wollte an ihm vorbei.
„Halt!“, befahl Herminafrid und senkte seinen Speer.
„Mein König?“, brachte Gorrik verdutzt heraus.
„Wir begleiten den Königshort allein!“ Herminafrid lenkte sein Pferd vor Gorriks braune Stute.
„Aber Herr! Ich bin der Schatzmeister!“ Gorrik wurde bleich wie ein Stück Käse.
„Lass dir ein schnelles Botenpferd geben, such dir drei gute Männer aus und reite den Franken entgegen. Sag ihrem Anführer, ich erwarte ihn bei Skitingi!“
Der Schatzmeister erbleichte noch weiter und seine Augen traten ihm aus den Höhlen.
„Herr!“, stammelte er und hob hilflos die Hände, doch Herminafrid ritt bereits hinter dem letzten Ochsenkarren zum Tor hinaus.
Radegunde beobachtete mit großer Schadenfreude, wie Gorrik wutentbrannt vor seiner Hütte absaß. Diesen nicht ungefährlichen Auftrag gönnte sie dem widerlichen Kerl.
Die Sonne versank bereits hinter dem Wald, als Besa und Kiara alle Truhen gefüllt hatten. Morgen konnten sie aufbrechen. Sie lief hinüber zu den Wällen, um nach Bertafrid zu suchen. Sie fand ihn am Tor, wo er den wachhabenden Soldaten in ein Gespräch über das beste Holz für einen guten Bogen verwickelt hatte.
„Komm, Bertafrid, es wird Zeit.“ Im selben Moment kam ein Warnruf vom Turm. „Reiter in Sicht!“
Bertafrid lief zum offenen Tor hinaus, um besser sehen zu können. Sie eilte ihm nach. „Es ist der König!“, brüllte Bertafrid ihr entgegen.
Sie trat neben ihn auf die Brücke, die den Graben überspannte. Drei Reiter hielten im scharfen Galopp auf den Hof zu: Herminafrid auf seinem kräftigen Schimmel, dicht gefolgt von Iring und schließlich –
Ihr Herz setzte
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