Radegunde von Thueringen
sicher, dass du reiten kannst?“
„Ja, aber der Fuchs lahmt!“
Einer der Soldaten untersuchte ihr Pferd. „Die rechte Hinterhand scheint gebrochen.“
„Beim Wodan, was machen wir jetzt mit dem Gaul? Er kann doch nicht die ganze Strecke laufen, oder?“
Der Soldat schüttelte den Kopf. „Das würde die Verletzung nur verschlimmern.“
„Herr! Ich kann helfen!“
Den Schweinehirten hatten sie schon beinahe vergessen.
„Was meinst du?“
„Mein Dorf Fargala liegt gleich hinter dem Wald. Bis dahin kann der Hengst es schaffen. Mein Vater versteht sich auf die Heilung von Pferden.“ Der Junge klang zuversichtlich.
Amalafrid nickte erleichtert. „Wenn er gesund wird, soll es euer Schaden nicht sein. Das Pferd ist wertvoll.“
Sie saß bereits vor Amalafrid auf seinem Schimmel, als der Junge noch einmal vor sie trat.
Er reckte seinen Arm nach oben, blickte sie an und öffnete die Hand. „Das gehört dir, glaube ich.“ Auf seiner blutverschmierten Hand lag die goldene Fibel.
531, Herminafrids Königshof
Mein liebster Amalafrid,
seit der König dich fortsandte zur fernen Hölzernen Burg Skitingi, sind zwei Sommer und zwei Winter vergangen. Ich sehne mich Tag für Tag nach dir und die Nächte wollen nicht enden.
Wie ergeht es dir mit deinen Soldaten? Übt ihr mutig den Umgang mit den Schwertern, die uns vor dem Feinde schützen sollen?
Auch ich habe zu tun, deine Mutter gönnt mir keinen Augenblick der Muße. Neben Latein und Bibeltexten lerne ich viel über die Frankenstämme, die Götter mögen verhüten, dass ich dieses grausame Volk jemals kennen lernen muss. Ich fürchte, deine Eltern sehen in mir ein Pfand im Handel mit den Feinden.
Doch bin ich gleichzeitig getrost, dass du und deine tapferen Krieger kämpfen werdet und siegen …
Lautes Kindergeschrei drang vom Hof herein. Radegunde legte besorgt die Feder beiseite und ging zur Tür. Bertafrid kam vom Wall herübergerannt. In der linken Hand hielt er ein Bündel Pfeile und mit der rechten schwang er seinen kleinen Bogen wild über dem Kopf.
„Reiter!“, brüllte er mit hochrotem Gesicht. Die anderen Kinder, die ihm folgten, kreischten ebenfalls laut durcheinander: „Reiter! Es kommen Reiter!“
Ein Blick zum Turm genügte, um die Nachricht zu bestätigen. Die Wachmannschaft war unterwegs zum Wehrgang, einige Männer gürteten noch im Lauf die Schwerter. Es stellte sich bald heraus, dass es sich um Boten handelte, die von den Höfen in westlicher Richtung kamen.
… Gerade erhielten wir die Nachricht, dass der Krieg unmittelbar bevorsteht. Das Heer der Franken ist aufgebrochen und wird in weniger als zwei Wochen hier sein. Jetzt liegt unser Leben in eurer Hand. Meine Sorge um dich ist wach.
Letzte Woche bin ich getauft worden, am Ufer der Unstrut, gemeinsam mit Bertafrid. Jetzt gehöre ich deinem Gott und seinem Sohn Christus, ich hoffe, sie werden uns bald wieder zusammenführen. Oh liebster Vetter, wie sehne ich mich nach deiner zärtlichen Hand und deinen Lippen. Es betet und umarmt dich
Radegunde
Als Radegunde die kleine Hütte des Christengottes betrat, hörte sie Amalabergas klare Stimme. Sie verharrte an der Tür und stellte erstaunt fest, dass sie nichts von dem verstand, was die Königin sagte.
„Atta unsa thu in himinam,
weihnai namo thein.“
Die Tante kniete vor einem kleinen Kreuz an der Stirnseite des Raumes und betete in ihrer Muttersprache.
„… qimai thiudinassus theins.
wairthai wilja theins.”
Am Rhythmus der Sätze und am Klang der Wörter erkannte Radegunde das Vaterunser.
„… swe in himina jah ana airtai …“
„Wie im Himmel, so auf Erden“, murmelte Radegunde. Bestürzt sah sie, dass Amalaberga Tränen über die Wangen liefen. Eine furchtbare Angst griff wie eine Faust nach ihrem Herzen, jetzt erst ahnte sie, welche Gefahr ihnen allen bevorstand.
„… ak lausei uns af thamma ubilin …“, fuhr Amalaberga fort.
„Sondern erlöse uns von dem Bösen!“, flüsterte Radegunde und schlug die Hände vor das Gesicht.
Die nächsten Tage vergingen mit hektischer Arbeit außergewöhnlich schnell. Neue Schwerter trafen aus dem Dorf der Schmiede ein und wurden umgehend weitergesandt zur Hölzernen Burg. Dort hatte Herminafrid seine Soldaten zusammengezogen. Lang- und Kurzschwerter sowie Messer, die bereits in Gebrauch waren, wurden geschliffen. Dazu waren zusätzliche Waffenschmiede an den Königshof beordert worden. Sie arbeiteten den ganzen Tag und die halbe Nacht, bis sie erschöpft an ihrem
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