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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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einen Moment aus. Kastanienbraunes Haar glänzte im letzten Sonnenlicht.
    Sie riss die Augen auf. Amalafrid!
    Dicht vor ihr zügelte er sein Pferd, während der König und sein Begleiter ihr knapp zunickten und vorbeiritten. Sein Gesicht war runder geworden, die Schultern breiter. Kinn und Mund wurden von einem dunklen Bart verdeckt. Ein breiter Messingreif um seinen Oberarm umschloss kräftige Muskeln. Doch seine tiefschwarzen Augen waren noch dieselben. Mit einem Satz sprang er vom Pferd.
    „Radegunde!“ Er zog sie an sich. „Woher wusstest du, dass ich komme?“
    „Ich …“ Die unverhoffte Freude raubte ihr die Worte. Sie musterte ihn staunend und lachend zugleich.
    Sein Blick fiel auf Bertafrid. „Kleiner Vetter, kannst du reiten?“
    Bertafrid nickte eifrig.
    Kurzerhand hob Amalafrid ihn auf seinen Hengst und bat: „Bring ihn in den Stall, sei so gut!“
    Mit stolz erhobenem Kopf ritt Bertafrid das große Pferd durch das Tor. Sie sah ihm lachend nach. „Das waren zwei Fliegen mit einer Klappe, oder?“
    Er grinste und zog sie hinter die Palisaden, so dass sie vom Hof her nicht zu sehen waren. „Du hast mir gefehlt, Radegunde. Wenn deine Briefe nicht gewesen wären …“
    Sacht strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sein dunkler Blick zog sie in die Tiefe. Seine Hände glitten über ihre Schultern, ihren Rücken. Wie Feuer spürte Radegunde seine rauen Fingerspitzen auf ihrer Haut. Seine Lippen forderten, suchten die ihren und die Welt um sie herum versank im Strudel aufgestauter Sehnsucht. Sie atmete den Duft von Leder und von seiner Haut – da war noch ein bekannter Geruch – doch das ungewohnte Kitzeln des Bartes an ihrem Hals lenkte sie ab.
    Als sie sich atemlos voneinander lösten, nahm er ihre Hand und zog sie zum Tor. „Mein Vater erwartet mich, es gibt so viel zu tun. Die Pferde der Franken scheinen Flügel zu haben. Gestern haben sie die Werra überschritten. Es sind zwei Heere, eines zieht unter der Führung von Theuderich vom Süden her gegen uns, das andere ist unter König Chlothar südlich der Harzberge gesehen worden.“
    Jetzt, wo Amalafrid neben ihr stand, jagte ihr der Gedanke keine Angst mehr ein. „Wirst du uns nach Skitingi begleiten?“
    „Nein. Ihr müsst den Weg allein schaffen. Wir werden ihnen entgegenreiten.“
    „Was ist mit der Wachmannschaft? Ist sie beim Schatz geblieben? Kiaras Liebster war dabei.“
    Amalafrids Miene verhärtete sich plötzlich, er wandte den Kopf ab und nickte dem Wachposten zu. „Sie kehren nicht hierher zurück“, sagte er knapp. „Vater hat Fallgruben ausheben lassen, die Franken werden durch sie hoffentlich aufgehalten.“
    Sie verstand nicht. „Fallgruben?“
    „Ja, entlang der Heeresstraße in Richtung Sonnenuntergang haben unsere Männer Erdfälle und Gräben mit Reisig, Gras und Laub bedeckt, so dass sie für einen schnellen Reiter nicht zu erkennen sind. Die Vorhut der Franken wird sich das Genick brechen.“
    Vor der großen Halle Herminafrids stand ein Soldat und winkte Amalafrid auffordernd zu. „Vater wird ungeduldig. Bringt euch so schnell wie möglich in Sicherheit! Versprich mir das!“ Er ließ ihre Hand los und zog sie noch einmal an sich.
    Sie schloss die Augen und versuchte, die Umarmung zu genießen, auf die sie so lange hatte verzichten müssen. Doch ihr Unterbewusstsein signalisierte ihr eine Warnung, die sie nicht länger ignorieren konnte. Dieser Geruch – plötzlich wusste sie, was es war: Blut. Als er eilig davonging, erkannte sie die dunklen Flecken an seinem Schwertgriff und auf seinen Schuhen. Waren sie schon auf erste Frankenkrieger gestoßen?
    Kiara wartete bereits. „Ist die Wachmannschaft zurück?“
    „Sie kehren nicht zurück, sagt Amalafrid.“ Radegunde sprach den Namen so triumphierend aus, dass Kiara lächeln musste.
    „Wenigstens ist dein Liebster wieder da!“, sagte die Dienerin wehmütig.
    „Mach nicht so ein Theater“, knurrte Besa, die in der Ecke der ansonsten leeren Hütte aus Fellen und Decken ein Nachtlager baute. „Du siehst deinen Soldaten eine Nacht nicht. Radegunde musste mehr als zwei Jahre warten!“
    „Eine Nacht?“, fauchte die sonst so sanfte Kiara. „Woher willst du das wissen?“
    „Besa hat Recht“, beschwichtigte Radegunde. „Bestimmt sind die Soldaten bei dem Schatz in Skitingi geblieben. Schließlich muss er dort auch bewacht werden. Jetzt geh Bertafrid suchen, wir wollen uns zeitig schlafen legen. Im ersten Morgengrauen brechen wir auf.“
    Die Nacht

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