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Radieschen von unten

Radieschen von unten

Titel: Radieschen von unten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frida Mey
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streckte Anneliese Neumann ihren dicken Busen vor und kraulte gedankenverloren den Kater neben sich.
    »Sie glauben also, dass Herr Wilfert selbstmordgefährdet ist?«, hakte Alex nach.
    »Ich hoffe natürlich nicht«, entgegnete Frau Neumann so heftig, dass der Kater beleidigt ein Stück von ihr abrückte. »Aber der Manni hat auch so was gesagt, als er …«
    »Wer ist Manni?«, unterbrach Alex.
    »Das ist Hildes Neffe Manfred. Manfred Schuler. Jahrelang hat er sich kaum blicken lassen. Aber seit ein paar Monaten hat er seine Tante ständig besucht. Hat wohl plötzlich seine Liebe zu ihr entdeckt, nachdem es mit seiner Firma nicht so lief. Und dann war da noch die Sache mit dem Kranz. Die hat dem armen Jo irgendwie den Rest gegeben. Hätte ich nur nichts gesagt!«
    »Was denn für ein Kranz?«, wollte Alex wissen.
    »An Hildes Grab lag ein Kranz mit dem Bild eines grässlichen Mischlingsköters. Auf der Schleife stand Auch Fifi vergisst Dich nicht . Wie pietätlos. Wilferts hatten doch gar keinen Hund. Der Kranz gehörte wohl zu einem anderen Grab. So etwas darf einfach nicht passieren. Jo hatte es bei der Beerdigung gar nicht bemerkt, doch als ich ihm hinterher davon erzählt habe, hat er sich furchtbar aufgeregt. Ich glaube, er wollte sich beim Bestattungsunternehmen beschweren.«
    »Wissen Sie, wie das Unternehmen heißt?«
    »Pietas. An der Firma kommt man hier kaum vorbei, wenn man unter die Erde muss. Aber das ist doch nicht wichtig. Finden Sie lieber den armen Jo. Vielleicht hatte er einen Unfall mit dem Fahrrad und liegt irgendwo hilflos herum.«
    »Herr Wilfert war mit dem Fahrrad unterwegs?«, fragte Alex nach.
    »Das Auto steht jedenfalls noch in der Garage«, erklärte Anneliese Neumann. »Für sein Alter ist Jo sehr sportlich, er erledigt fast alles mit dem Rad. Letztes Jahr zu Weihnachtenhat er sich ein ganz tolles geleistet, so ein schwarzes Mountainbike – mit Elektroantrieb.«
    Alex konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Ein Mountainbike mit Elektroantrieb!
    Anneliese Neumann fuhr fort: »Sie müssen ihn finden. Im Fernsehen habe ich gesehen, mit welchem Aufgebot nach diesem verschwundenen Mädchen gesucht wird  – ganze Hundertschaften sind da unterwegs, Suchhunde, Hubschrauber. Aber ein Rentner ist wohl nicht so viel wert wie ein Kind.«
    Ihre Stimme klang bitter. Der Kater hielt in seiner ausgiebigen Putzaktion inne. Nur seine dünne Schwanzspitze zitterte leicht hin und her.
    »Wir tun unser Bestes«, entgegnete Alex. »Und natürlich ist nicht ein Mensch mehr wert als der andere. Nur sind Kinder weitaus gefährdeter. Erwachsene können hingehen, wohin sie wollen. Außerdem hat man bei der Suche sehr wohl auch nach Herrn Wilfert Ausschau gehalten, aber keine Spur von ihm gefunden.«
    Vielleicht ist er auch absichtlich verschwunden, dachte Alex, um sich dieser blitzsauberen Fürsorge zu entziehen. Sie stand auf und verabschiedete sich. Sogar der Kater erhob sich, kam auf seinen langen Beinen auf Alex zu und krallte sich in ihren Hosenbeinen fest.
    »Aber, Napoleon, lass das«, sagte Anneliese Neumann tadelnd. »Ich spiele gleich mit dir.« Und zu Alex gewandt: »Er mag Sie. Kommen Sie uns doch mal wieder besuchen. Aber zuerst finden Sie Jo!«
    Paul-Friedrich erwartete Elfie bereits an der Ladentür seines Antiquariats. Galant schob er den schweren russischgrünen Vorhang zur Seite und ließ sie eintreten.
    »Hallo Elfie. Schön, dass du da bist.« Er strahlte über das ganze Gesicht. Dann umarmte er sie behutsam und hauchte ihr ein Küsschen rechts und links auf die Wange.
    Seitdem Elfie ihm vor ein paar Monaten – nach zwanzigjähriger Bekanntschaft und reiflicher Überlegung – das Du angeboten hatte, begrüßte und verabschiedete er sie auf diese Weise. Anfangs war ihr das seltsam vorgekommen, fast wie ein Verrat an Ludwig. Doch inzwischen hatte sie sich nicht nur daran gewöhnt, sondern sie genoss diese zärtliche Geste sogar, die jedoch stets von ihm ausging.
    »Ich freue mich auch, dich zu sehen«, sagte sie. »Unser letzter gemütlicher Abend liegt schon viel zu lange zurück. Aber du weißt ja, die Arbeit geht vor. Und wenn ich einen neuen Auftrag habe, sehe und höre ich nichts anderes, bis ich mir zumindest einen Überblick über die Aufgaben und Probleme verschafft habe.«
    »Aber das weiß ich doch. Und ich habe die Zeit gut genutzt. Komm, ich muss dir etwas zeigen.« Paul-Friedrich dirigierte Elfie durch den Laden in Richtung Wintergarten, wo er sich ein kleines Büro

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