Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radieschen von unten

Radieschen von unten

Titel: Radieschen von unten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frida Mey
Vom Netzwerk:
eingerichtet hatte.
    Als Elfie den Raum betrat, fiel ihr sofort ein klobiger Bildschirm ins Auge, der auf dem zierlichen viktorianischen Schreibtisch seltsam deplatziert wirkte – wie aus der Zeit gefallen.
    »Du hast dir einen Computer gekauft.« Elfie konnte ihr Erstaunen nicht verbergen. Denn bisher hatte sich Paul-Friedrich dem technologischen Fortschritt standhaft widersetzt und insbesondere das Internet als natürlichen Feind des gedruckten Wortes bezeichnet.
    »Nein, nein«, wehrte er hastig ab. »Den habe ich geschenkt bekommen, von einem meiner Stammkunden. Er hat sich einen neuen gekauft und mir sein altes Gerät überlassen.«
    »Der wollte sich wohl die Kosten für die Entsorgung seines Elektronikschrotts sparen.« Angesichts des vorsintflutlichen Modells konnte sich Elfie diese Bemerkung nicht verkneifen.
    »Das darfst du nicht sagen«, wandte Paul-Friedrich ein. »Der Computer funktioniert noch einwandfrei. Er ist vielleicht nicht mehr der Schnellste, aber das bin ich auch nicht. Da passen wir gut zusammen.«
    Elfie war immer noch skeptisch. »Aber du weißt gar nicht, wie man damit umgeht.«
    Paul-Friedrich lächelte verschmitzt. »Und ob ich das weiß. Ich habe einen Kurs bei der Volkshochschule belegt.«
    Er öffnete die Schreibtischschublade, zog einen Bogen Papier heraus und hielt ihn triumphierend hoch. »Ich habe den Computer-Führerschein bestanden, mit voller Punktzahl.«
    Elfie nahm das Zertifikat und las laut vor: »Herr Paul-Friedrich Specht hat den Kurs Meinen PC verstehen (für Späteinsteiger) mit Erfolg absolviert.« Sie ließ das Blatt sinken. »Dann darf ich wohl gratulieren. Aber von einer Punktzahl steht hier nichts.«
    »Nein, das war auch nicht offiziell. Aber wir haben nach jeder Stunde einen kleinen Test abgelegt, schriftlich und praktisch. Die Kursleiterin hat jedes Mal zu mir gesagt, ich hätte es ›voll drauf‹. Das bedeutet ja wohl maximale Punktzahl.«
    Voller Stolz betrachtete Paul-Friedrich das Papier. »Ich werde mir das Zeugnis rahmen lassen und aufhängen.«
    Elfie lächelte in sich hinein und verzichtete darauf, Paul-Friedrich die Bedeutung moderner Umgangssprache zu erläutern. Stattdessen sagte sie: »Das ist eine gute Idee. Ich binstolz auf dich, dass du dich auf etwas Neues eingelassen hast. In unserem Alter scheuen viele davor zurück.«
    Spontan trat sie auf Paul-Friedrich zu und küsste ihn auf die Wange. Aus eigenem Antrieb hatte sie das noch nie getan. Erschrocken über ihren Wagemut, wich sie schnell wieder zurück. Paul-Friedrichs Gesicht überzog ein rosiger Schimmer, er blickte Elfie liebevoll an.
    Was hatte sie nur getan? Schließlich war sie immer noch mit Ludwig verlobt. Um den intimen Moment zu beenden, sagte sie leichthin: »Nun, dann hast du jetzt wenigstens einen Führerschein.«
    Autofahren hatte Paul-Friedrich nie gelernt, weil er schlicht und einfach kein Auto brauchte. In der Stadt kam er zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln überallhin. Urlaubsreisen oder Ausflüge unternahm er nicht, da er jede freie Minute mit Lesen verbrachte  – oder neuerdings mit Statistiken aller Art.
    Paul-Friedrich sah sie immer noch verklärt an und schien mit sich zu ringen, was er sagen sollte.
    Bevor er den Mund öffnen konnte, sagte Elfie schnell: »Zeig mir doch mal, was du schon am Computer gelernt hast.«
    Paul-Friedrich räusperte sich und nahm auf seinem Schreibtischstuhl Platz. Der besondere Zauber des Augenblicks war endgültig verflogen. Elfie atmete auf. Doch dann stellte sie erstaunt fest, dass ein Teil von ihr dies bedauerte. Es hatte sich gut und richtig angefühlt. Sie musste Ludwig ja  nicht erzählen, dass sie einen anderen Mann geküsst hatte.
    Sie zog einen Stuhl heran und setzte sich neben Paul-Friedrich.
    »Ich arbeite mit Linux«, erklärte er. »Das hat uns die Kursleiterinempfohlen. Es ist nicht nur kostenlos, sondern auch zuverlässig und kaum anfällig für Viren.«
    Elfie war beeindruckt, wie gut sich Paul-Friedrich schon auskannte. Routiniert zeigte er ihr die verschiedenen Programme.
    »Ich kann schon einen Brief schreiben und ausdrucken«, sagte er stolz, »außerdem im Internet surfen und E-Mails verschicken.«
    »Das ist praktisch. Dann können wir uns künftig per E-Mail verständigen«, warf Elfie ein.
    »Das mag in manchen Fällen praktisch sein«, sagte Paul-Friedrich. »Aber grundsätzlich möchte ich mich mit dir lieber von Angesicht zu Angesicht verständigen.« Er sah sie erwartungsvoll an und streichelte kurz

Weitere Kostenlose Bücher