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Radio Heimat

Radio Heimat

Titel: Radio Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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Gitarre ist klasse.«
    »Schwuchtel?«, schaltete sich Spüli ein, »Freddie Mercury ist doch nicht schwul!«
    Mücke sah ihn mitleidig an. »Wach auf, Cinderella, wir sind nicht mehr im Märchenland.«
    Im Folgenden setzte uns Mücke auseinander, worauf es wirklich ankam, wenn man eine Band gründen wollte. Das mit den Instrumenten und der Musik, das werde sich finden. Ein Bekannter seines Bruders habe schon in Aussicht gestellt, demnächst ganz günstig an eine komplette Ausrüstung zu kommen. Wahrscheinlich der gleiche, der erst letztes Jahr aus dem Knast gekommen war, nachdem sein schwunghafter Handel mit geklauten Autos ihn dorthin gebracht hatte.
    »Wir sind minderjährig«, sagte Mücke, »und geschenkten Pferden guckt man nicht auf die Hufe.«
    »Geht das Sprichwort nicht ganz anders?«, fragte Pommes.
    »Du spielst Bass!«, sagte Mücke. »Da muss man nix können, den hört man eh kaum. Bisschen zupfen und die Sache läuft. Und zupfen, das hast du doch drauf, du kleine Sau! Spüli spielt Schlagzeug.«
    »Wieso?«
    »Weil unser Brian May hier« - er zeigte auf mich - »Gitarre spielt.«
    »Und was machst du?«
    Mücke starrte Spüli völlig verständnislos an. »Ich singe natürlich.«
    »Warum ausgerechnet du?«
    »Weil ich die Idee mit der Band hatte. Und weil von euch keiner in der Lage wäre, diese enormen Massen an Weibern zu verarbeiten, die auf so einen Sänger zukommen. Sorry, aber das ist nur was für die großen Jungs.«
    »Du bist doch kaum eins siebzig!«, meckerte Spüli.
    »Aber meine Eichel hängt mir knapp überm Knie. Wenn ich nackt mit nem Ständer auf der Straße liege, kleben die Leute Plakate dran, weil sie denken, das is ne Litfaßsäule! Ich singe, und damit gut. Aber das ist auch nicht das Entscheidende.«
    »Sondern?«
    »Das Entscheidende ist das Benehmen. Unser Auftreten. Unser Image. Es ist absolut wichtig, dass wir uns von jetzt an wie Rockmusiker benehmen, wenn wir schon keine Instrumente haben. Zuerst lassen wir uns die Haare wachsen. Also so richtige Matten, bis runter auf den Rücken.«
    Spüli verzog das Gesicht. Er hatte sich in den letzten Wochen durchaus die Haare wachsen lassen, aber nicht überall. Hinten waren sie nach wie vor stoppelkurz, vorne jedoch wucherten sie aus wie ein gerupftes Vogelnest. Er sah aus, als könnte er gleich bei Duran Duran einsteigen.
    »Als Nächstes«, fuhr Mücke fort, »ist es enorm wichtig, was wir über uns erzählen. Wo wir herkommen und was wir bisher gemacht haben und der ganze Scheiß. Da müssen wir uns ordentliche Geschichten zurechtlegen. Die müssen uns in Fleisch und Blut übergehen. Wenn wir berühmt werden, müssen wir selbst daran glauben. Also ich selbst brauche ja nichts zu erfinden. Mein Vater säuft, meine Mutter fickt mit dem Filialleiter vom Edeka, mein Bruder ist ein krimineller Schläger, und mich haben sie schon im Kindergarten fertiggemacht, weil ich so klein war. Astreine Rock'n'Roll-Biografie. Was ist mit euch? Was habt ihr zu bieten? Habt ihr schon früh Talent gezeigt oder so was?«
    Ich überlegte. »Ich habe mit drei Jahren im Speisesaal eines Hotels in Bad Godesberg Kinderlieder gesungen und bin dann an den Tischen vorbeigegangen, um Geld einzusammeln.«
    Mücke nickte. »Brian May kümmert sich also um unsere Gagen, so lange wir keinen Manager haben. Wie sieht es mit Drogen aus?«
    »Ich hab mal Tee geraucht!«, rief Pommes stolz.
    Mücke senkte den Blick und schüttelte den Kopf. »Mann, Pommes, es geht hier um Exzesse, nicht darum, dass man sich ein bisschen Wildkirsch in den Tabak reibt, weil man für einen echten Joint keine Traute hat. Also Spüli und ich rauchen, das ist schon mal was. Das würde ich euch anderen beiden auch raten. Aber ich sag euch gleich: Richtig rumsaufen, Sachen durch die Gegend schmeißen und aus dem Fenster pinkeln, drunter geht's nicht. Über kurz oder lang müssen wir auch an harte Drogen ran, um den Tourstress durchzustehen, das mit dem permanenten Vögeln auf die Reihe zu kriegen und natürlich um überhaupt kreativ sein zu können. Außerdem ist das mit den Drogen noch immer die beste Möglichkeit, unsere Ablehnung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zum Ausdruck zu bringen.«
    »Du lehnst die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse ab?«, sagte Spüli.
    »Ob ich das wirklich tue oder nicht, spielt keine Rolle. Aber kennst du eine Rockband, die die bestehenden Verhältnisse gut findet?«
    Langsam dämmerte mir, dass Mückes Vorstellungen über eine Rockband

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