Radio Heimat
wurde Michael von seiner Mutter aus dem Spiel genommen, sodass wir nur noch zu fünft waren. Was jetzt? Pommes warf dem Mädchen am Spielfeldrand einen Blick zu, und Mücke raunte: »Denk nicht mal dran!«
»Wieso?«, gab Pommes zurück. »Ist zwar ein Mädchen, aber besser, als in Unterzahl zu spielen.«
»Hast du ne Ahnung!«, höhnte Mücke. »Die bricht sich doch die Beine! Ich spiele in der Zweier-Mannschaft, und dann ist es immer noch ungerecht.«
Wir anderen sahen das nicht so, also ging Pommes zu dem Mädchen hin und fragte, ob sie mitspielen wolle. Das Mädchen überlegte einen Moment und sagte dann: »Klar, wieso nicht! Lord, du bleibst hier sitzen!«
Da Mücke nicht dazu zu bewegen war, mit einem Mädchen in der Mannschaft zu spielen, gesellte sie sich zu Pommes und mir. Ich stand im Tor und sah gleich darauf Mücke, der natürlich auf dem Anstoß bestanden hatte, mit dem Ball am Fuß auf mich zukommen, warf mich ihm in Todesverachtung vor die Füße und versuchte, ihm den Ball vom Spann zu fischen, griff ins Leere und kriegte noch Mückes Stollenschuh an den Schädel. Mücke schob lässig ein und drehte jubelnd ab. Von der Defensivleistung meiner neuen Mitspielerin war ich nicht gerade angetan. Von Pommes erwartete ich sowieso nicht viel.
Pommes und das rothaarige Mädchen gingen zum Anstoßpunkt, das Mädchen spielte den Ball zu Pommes, der versuchte, sich gegen Spüli durchzutanken, blieb aber hängen. Spüli passte zu Mücke, und ich hatte wieder nichts zu halten.
»Nee, muss man sagen«, meinte Mücke, »ist ne echte Verstärkung, die Lady!«
Wieder gingen das Mädchen und Pommes zum Anstoßpunkt, diesmal aber spielten sie es umgekehrt: Pommes tippte den Ball an, das Mädchen spitzelte die Kugel Spüli durch die Beine und zog dann gleich ab. Rüdiger konnte nicht ausweichen und kriegte den Ball mitten ins Gesicht. Heulend wälzte er sich auf dem Boden.
»Steh auf, du Mädchen!«, rief Mücke. »Aber gute Parade!«
Mücke schnappte sich den Ball und setzte zu einem seiner berüchtigten Sololäufe an, und eines musste man ihm lassen: Er war ziemlich schnell. Das Mädchen machte sich gar nicht die Mühe, ihm zu folgen, und Pommes war kein gleichwertiger Gegner.
Ich jedoch war fest entschlossen, nicht auch noch das dritte Gegentor hinzunehmen, ohne ein einziges Mal am Ball gewesen zu sein. Diesmal blieb ich länger stehen, und als Mücke mir den Ball durch die Beine spielen wollte, kriegte ich sie schnell genug zusammen. Der Ball prallte von mir ab zu Pommes, der ihn zu dem Mädchen stocherte. Spüli griff an, den ließ sie aber mit einer gekonnten Körpertäuschung einfach stehen und lief auf das gegnerische Tor zu, wo Rüdiger mit gerötetem Gesicht auf sein Schicksal wartete. Doch statt einfach draufzuhalten und zu hoffen, dass Rüdiger, nach dem schmerzhaften Erlebnis von vorhin, kneifen würde, trat sie auf den Ball und drehte sich um. Spüli war hinter ihr hergehastet, Pommes lief sich frei. Spüli griff sie von hinten an, doch mit einer eleganten Bewegung ließ sie ihn ins Leere laufen und wartete auf Mücke, ja, sie lief ihm sogar mit dem Ball am Fuß entgegen, weg vom gegnerischen Tor, tunnelte ihn, lief um ihn herum, nahm den Ball wieder auf, drehte sich wieder um, täuschte links an und ging rechts vorbei wie Libuda. Mücke versuchte, sie abzugrätschen, aber da war sie schon längst weg, machte Spüli noch mal nass, stand vor dem Torwart, täuschte einen Schuss an, stieg jedoch über den Ball und haute das Ding hinter ihrer linken Ferse mit dem rechten Fuß ins Tor.
Nicht zu unrecht wertete Mücke dieses Manöver als Kampfansage. Wutentbrannt holte er den Ball aus dem Gebüsch, und es war klar, dass Pommes, Spüli, Rüdiger und ich jetzt Pause hatten. Das hier war eine Sache zwischen Mücke und dem rothaarigen Mädchen.
Wieder setzte er zu einem seiner Flügelläufe an, diesmal aber heftete sich das Mädchen an seine Fersen, und als er sich den Ball nur ein bisschen zu weit vorlegte, trat sie auf das Leder und nahm ihm das Teil vom Fuß. Mücke lief noch ein oder zwei Meter weiter, aber bevor er richtig begriffen hatte, was passiert war, hatte die Rothaarige schon den Ausgleich erzielt, diesmal mit einem humorlosen Spannstoß ins linke untere Eck. (Da die Pfosten aus abgebrochenen Zweigen bestanden, gab es übrigens keine oberen Ecken, was Weitschüsse in den Winkel unmöglich machte.)
»Okay, die nächste Bude entscheidet«, knurrte Mücke unvorsichtigerweise und startete seinen
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