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Radioactive -Die Verstossenen

Radioactive -Die Verstossenen

Titel: Radioactive -Die Verstossenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Shepherd
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ihrer Etikettierung lese ich E523, doch mehr noch als die Zahlen und Buchstaben, die ohnehin nur noch heute gültig sind, prägt sich mir der kleine Pigmentfleck direkt unter ihrem linken Auge ein. Sie ist für mich nicht länger eine Fremde, sondern ich würde sie jederzeit wiedererkennen. Auch sie blickt mir entgegen, mit fest zusammengekniffenen Lippen. Ich sehe Wut in ihrem Blick. Sie hat versagt und gönnt es mir nicht, dass ich besser bin als sie. Deshalb sollen in unserer Welt alle Menschen gleich sein. Doch die Leistungstests beweisen, dass dies nicht stimmt.
    Mein Blick gleitet von dem Mädchen zu meiner anderen Seite. 22 Minuten 13 Sekunden. Es ist ein Junge. Ich kenne ihn. Seinem rechten Schneidezahn fehlt eine Ecke. Er hat sie als Gelber bei einem Streit um ein Elektroauto verloren. Als das Auto gegen seinen Mund knallte, schoss Blut aus seiner Lippe. Das hatte uns andere Kinder so geängstigt, dass wir alle zu weinen begannen. Wir dachten, er und wir alle müssten sterben. Blut ist ein Vorbote von Krieg, und Krieg bedeutet Tod. Seitdem erkenne ich ihn. Ich weiß nicht, ob er sich auch an mich erinnert oder ob ich für ihn nur eines der vielen Mädchen bin, jedenfalls lässt er sich von meinem Blick nicht beirren. Stur blickt er auf die graue Wand gegenüber und rennt.
    24 Minuten 06 Sekunden. Meine Kehle brennt und ist so rau wie Schleifpapier. Selbst das Schlucken schmerzt. Das Herz schlägt mir bis zum Hals und schwarze Punkte beginnen vor meinen Augen zu tanzen. Piiiiiep.... Das ist das Alarmsignal meines Pulsmessers. Er zeigt 140 Schläge pro Minute an, unter 120 wäre optimal. Wenn ich es nicht schaffe, meinen Puls zu verringern, scheide ich aus. Ich versuche, ruhig durch die Nase zu atmen. Piiiiiep... 24 Minuten 20 Sekunden. Puls 145. Meine Augen wandern über die anderen Läufer. Ich zähle 25, davon nur drei Frauen, mich eingeschlossen. Piiiiiiep... 24 Minuten 29 Sekunden. Puls 146. Ich will wenigstens unter die letzten 20 kommen. Piiiiiiep... 24 Minuten 32 Sekunden. Puls 144. 24 Läufer. Die Legionsführerin steuert auf mich zu. Ich muss meinen Puls senken. Piiiiiiep... 24 Minuten 41 Sekunden. Puls 142. Sie setzt bereits zum Sprechen an, doch das laute Piep bleibt aus. Mein Pulsmesser zeigt 139. Nur eine Einheit mehr und ich wäre ausgeschieden. Erstaunt hebt sie beide Augenbrauen, aber sagt nichts. 24 Minuten 59 Sekunden. 22 Läufer. Meine Beine fühlen sich wie Blei an, so schwer, dass ich jeden Moment zusammenknicken könnte. Eine Eiweißtablette wird nicht reichen, um meine Muskeln wieder auf Vordermann zu bringen. 25 Minuten 12 Sekunden. Das Tempo wird noch schneller. Piiiiiiiiep... Puls 142. 21 Läufer. Vor meinen Augen wird es schwarz. Ich spüre noch den Aufschlag, bevor alles ganz still wird.

    Der unangenehme Geruch von verbrennendem Plastik und scharfem Reinigungsmittel steigt mir in die Nase. Er ist so scharf, dass sich meine Nase kräuselt und ich die Augen aufschlage. Über mir sehe ich die Gesichter der Legionsführerin in Weiß und eines Mannes in Grün. Er zieht das Fläschchen zurück, das er gerade noch unter meine Nase gehalten hat. Mit der linken Hand hält er mein Handgelenk umschlossen, das er nun behutsam zu Boden gleiten lässt.
    „Sie hätte nie aufgegeben. Ihr Körper hat es deshalb für sie übernommen.“, erklärt er der Legionsführerin.
    „Welch Dummheit, ein Mensch muss seine Grenzen kennen.“, empört sie sich, so als wäre ich gar nicht da.
    „Sie ist ehrgeizig und willensstark“, verteidigt mich der Mann, ohne mich jedoch zu beachten.
    „Ehrgeiz führt zu Unruhe und ein Wille ist dazu da, gebrochen zu werden.“ Ihre Stimme ist kälter als die Fliesen meines Zimmerbodens am Morgen. Ihr Etikett zeigt A470. Ich werde es mir merken. Sie ist gefährlich.
    Der Mann in Grün nickt und reicht ihr eine Flasche mit einer hellgrünen Flüssigkeit.
    „Das wird sie stärken.“
    Die Frau nimmt das Getränk entgegen. „Danke Doktor, du wirst hier nicht mehr gebraucht.“
    Er geht und ihre lichtblauen Augen richten sich wie Speerspitzen auf mich. Mit ihrer kalten Hand zieht sie mich wieder auf die Beine. Mein Bauch fühlt sich leer und flau an, und meine Beine wollen mein Gewicht kaum tragen, so schwach fühle ich mich. Ich spüre deutlich Blicke auf mir und drehe mich um. E523 blickt mir entgegen und ich weiß den Ausdruck in ihren Augen nicht zu deuten. Vielleicht freut sie sich über meinen Misserfolg. Ich schaue mich weiter um, doch die Laufbänder sind

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