Rächer des Herzens (German Edition)
wollen.“
Isabella schüttelte den Kopf, während er noch sprach. „Die Regelung von Erblässen braucht Zeit, und die habe ich nicht. Aber binnen Kurzem werde ich frei sein von den Schulden und auch von der Ehe.“
Eine Pause trat ein. Marcus fühlte sich in seinem Stolz verletzt, weil er nach Gebrauch sozusagen wie ein altes Kleidungsstück abgelegt werden sollte. Gleichwohl hatte er ebenso unlautere Motive wie Isabella.
„Ich mag den Gedanken nicht, trotz einer Eheschließung nach Lust und Laune herumgeschubst zu werden“, sagte er mit Bedacht und fügte hinzu: „Es ist entwürdigend.“
Diesmal lächelte sie mit echtem Mitgefühl. „Nun wissen Sie, wie eine Frau sich fühlt“, sagte sie sanft.
Touché! Ihre unverblümten Worte jagten ihm einen Schauer über die Haut. So war es mit Isabella schon immer gewesen. Eher forderte sie ihn heraus, als dass sie ihn beschwichtigte, wie dies die meisten Frauen taten. Sie war unberechenbar und aufregend gewesen, und die Spannung zwischen ihnen hatte sein Verlangen befeuert, sie zu nehmen und zu besitzen. Er war völlig vernarrt in sie gewesen. In jenem letzten Frühling in Salterton, ehe Isabella nach London zurückkehrte, versprachen sie sich in den Gärten feierlich die Treue. Ohne zu zögern, hatte er ihr einen Antrag gemacht, und sie hatte ihn angenommen. Er sagte zu, ihr baldmöglichst in die Stadt nachzureisen, um bei ihrem Vater um ihre Hand anzuhalten. Marcus machte sich keine Sorgen über seine Zukunftsaussichten. Er war jemand, der jede Gelegenheit nutzte und neue suchte. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass er einer Frau nichts zu bieten hatte.
Lord Standish hatte seine Werbung mit einem auffallenden Mangel an Begeisterung angenommen. Wenn Marcus glaubte, dass er gesellschaftliche Aussichten hatte, so war sein zukünftiger Schwiegervater nicht so leicht davon zu überzeugen. Marcus hingegen ließ sich nicht abschrecken. Als er in der Kirche wartete, war er hoffnungsvoll geblieben bis zum letzten Augenblick – selbst als niemand von den Gästen der Braut erschien. Die Zeit verrann, und Isabella traf nicht ein. Selbst ganz zum Schluss konnte Marcus noch nicht glauben, dass sie ihn wirklich hatte sitzen lassen. Nach der geplatzten Trauung eilte er zu ihrem Elternhaus, aber dort wurde ihm an der Tür bedeutet, dass er gehen solle. Er schwor sich, er würde niemals glauben, dass sie sich wirklich so unerhört verhalten hatte, solange er die Ablehnung nicht aus ihrem eigenen Mund gehört hatte. Aber er hatte nie eine Erklärung von ihr bekommen.
Sie hatte nie wieder mit ihm gesprochen.
Die Gesellschaft war mit ihrem Urteil schnell bei der Hand gewesen. Als die abwesende Braut gleich am nächsten Tag Fürst Ernest Di Cassilis mit einer Sondergenehmigung und in aller Stille heiratete, schlug dieser Skandal hohe Wellen. Ernest nahm seine gerade angetraute Frau mit nach Cassilis, und Marcus kehrte überstürzt zur Marine zurück. Ihm war klar, dass er sich unbedingt beschäftigen musste. Und so jagte er statt der Frauen die Franzosen. Für seine unerschrockene Tapferkeit erhielt er Belobigungen seiner Vorgesetzten, und bald beschloss er, nie wieder an Land zu leben. Erst als er unerwartet den Titel von seinem kinderlosen Cousin erbte, fühlte er sich zu einer ganz andersartigen Verantwortung berufen. Nur widerstrebend übernahm er den Besitz und ging nach London. Und auf einem Ball lernte er dann Isabellas Cousine, India Southern, kennen …
Aber an diese Zeit wollte er jetzt nicht denken. Während seiner Ehe mit India hatte Isabellas Geist jeden seiner Schritte verfolgt. Marcus hatte sie nie vergessen können und vermochte auch jetzt nicht die starken Gefühle zu verscheuchen, die durch das erneute Zusammentreffen in ihm aufloderten. Er spürte dieselbe Anziehungskraft wie früher. Sie sahen einander an, und die Luft zwischen ihnen knisterte von den Funken der alten Leidenschaft.
Dabei hatte Marcus gar nicht vorgehabt, alte Erinnerungen aufleben zu lassen. Viel lieber wollte er herausfinden, was Isabella mit dieser Zweckheirat beabsichtigte. Wichtig war auch zu wissen, ob es vielleicht störende Liebhaber gab, die seine Pläne vereiteln könnten. Die Tatsache, dass Isabella ohne Begleitung in das Fleet-Gefängnis gekommen war, ließ vermuten, dass sie gegenwärtig keinen Liebhaber hatte, aber Marcus musste sich Gewissheit verschaffen.
Er wandte sich von Isabella ab und gab sich gleichgültig.
„Ich verstehe nicht, warum Sie ausgerechnet eine
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