Rächer des Herzens (German Edition)
Stunden in der Gesellschaft eines Mannes, dessen Verhalten ausgesprochen tadellos war, war ihre Schwester völlig aufgewühlt und beinah ohnmächtig vor Ungeduld.
„Nun“, sagte Isabella mit beruhigender Stimme, „ihr seid jetzt hier, und ich freue mich sehr, euch beide zu sehen. Ihr müsst recht müde sein. Wollt ihr auf eure Zimmer gehen?“
„Du kannst Pen mit hinaufnehmen“, sagte Freddie. „Ich würde ganz gern noch einen Schluck von dem Weinbrand nehmen, den du dort hast, Bella.“
„Wie du willst“, antwortete Isabella. „Du willst aber nicht lieber zu Marcus und Mr. Cantrell gehen?“
Er sah sie unsicher an. „Ich würde lieber allein bleiben.“
Wieder spürte Isabella diese betretene Verlegenheit in seinem Verhalten. Das Zusammenleben im Haus dürfte ziemlich schwierig werden, wenn ihr Mann und ihr Bruder einander wie zwei misstrauische Hunde umschlichen. Sie seufzte.
„Gut“, sagte Isabella dann. „Mrs. Lawton wird dir dein Zimmer zeigen, wenn du fertig bist.“
Sie nahm Pen am Arm, und ging mit ihr zusammen die Treppe hinauf. Aus der Bibliothek drangen die Stimmen von Marcus und Alistair, wie sie sich entspannt unterhielten. Pen, die immer noch einen hochroten Kopf hatte, warf einen Blick auf die Tür, ging aber schnell daran vorbei. Isabella sah, dass sie tief in Gedanken versunken war. Pen machte überhaupt keine Bemerkung darüber, dass sie wieder auf Salterton Hall war. Sobald sie das blaue Schlafgemach erreicht hatten, wo sie ungestört waren, ergriff Pen Isabellas Hand.
„Bella, es gibt etwas, was ich dir einfach sagen muss, und dann magst du mich aus dem Haus jagen, wenn du willst!“
Isabella sah sie erstaunt an. „Ich werde mit Sicherheit nichts so Ungeheuerliches tun, Penelope. Was hast du denn zu gestehen?“
Pen ließ sich in den Sessel sinken und rang verzweifelt ihre Hände. „Mr. Cantrell hat mir gesagt, dass ich dir alles erzählen muss.“
„Ich verstehe“, sagte Isabella, wobei sie bei dem plötzlichen Gedanken erschrak, dass sie die Situation völlig falsch eingeschätzt haben könnte. Hatte Alistair Cantrell ihre Schwester auf der Reise nach Salterton gar verführt?
„Ich wollte es dir immer sagen, aber nie schien sich die richtige Gelegenheit zu bieten. Es war einfach so, dass wir kein Geld hatten und ich mir so große Sorgen über Freddies Schulden machte.“ Angst blickte aus Pens blauen Augen. „Oh Bella, bitte verzeih mir! Ich hatte nie die Absicht, dein Vertrauen zu missbrauchen.“
„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst“, antwortete Isabella, „aber du jagst mir einen Schrecken ein, Pen.“
„Die Klatschspalte in den Zeitungen!“, sagte Pen in dramatischem Ton. Dabei zog sie ihre Reisetasche in die Mitte des Raumes und öffnete langsam und umständlich den Deckelverschluss. „Ich habe Skandalartikel für Mr. Morrows Gentlemen’s Athenian Mercury geschrieben! All die Einzelheiten über deine Schulden, das Haus im Brunswick Gardens und deine plötzliche Heirat …“
„Ich … verstehe“, sagte Isabella zögernd.
„Ich brauchte das Geld“, fuhr sie zerknirscht fort und wühlte dabei in der Tasche herum, sodass ihre Unterwäsche herausflog. „Ich dachte, es würde dir nichts ausmachen, Bella, aber als wir uns dann wieder richtig nähergekommen waren, hatte ich dich so lieb gewonnen, dass ich mich als elende Verräterin fühlte …“
Isabella setzte sich langsam und schwerfällig auf die Bettkante. „Verstehe ich dich richtig, Pen“, sagte sie, „dass du diejenige bist, die diese Geschichten an die Presse gegeben hat?“
„Ja“, antwortete Pen kleinlaut und mit hochrotem Kopf. Sie hockte sich hin und nahm die Exemplare mit all ihren Artikel in die Hände. „Es tut mir so leid! Ich hatte das Gefühl, ich hätte dich verraten, und Mr. Cantrell sagte …“
„Ja?“, sagte Isabella. „Was hat Mr. Cantrell mit alledem zu tun?“
„Er schreibt für dieselbe Zeitschrift. Wir trafen uns im Büro von Mr. Morrow, und Mr. Cantrell vermutete, dass ich die Klatschspalten geschrieben hatte. Er drängte mich, dir die Wahrheit zu sagen.“
„Nur gut, dass wenigstens jemand bei dieser Angelegenheit einige Skrupel hatte“, antwortete Isabella trocken.
Pen errötete noch mehr. „Oh Bella, bitte hasse mich nicht dafür! Ich war so verzweifelt auf das Geld angewiesen. Aber dann hatten wir uns nach all diesen Jahren wiedergesehen, und ich fühlte mich so schäbig, weil ich das ausnutzte, und war hin und her gerissen.“ Sie seufzte.
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