Rächer des Herzens (German Edition)
musste sie vereiteln. Geistesabwesend klopfte sie auf die gebrochenen Streben ihres Fächers. Isabella konnte Marcus unmöglich die Wahrheit sagen. Sie schreckte davor zurück, vor ihm den ganzen schmerzlichen Schrecken der Vergangenheit auszubreiten und damit alles noch einmal zu durchleben. Alle Liebe und alle Verzweiflung hatte sie als einen eiskalten Knoten in sich verschlossen, und solange sie ihn in ihrem Inneren verborgen behielt, würde sie überleben. Ein Splitter des Fächers drang in ihren Finger, und sie zuckte zusammen.
Sie schulden mir die Hochzeitsnacht.
Niemals. Sie schüttelte langsam ihren Kopf. Viel zu viel war geschehen, als dass sie es ertragen könnte, Lady Stockhaven in Wort und Tat zu sein. Zwölf Jahre zuvor hatte Marcus’ Berührung pures Vergnügen und die Verheißung zukünftigen Glücks gebracht. Aber zwölf Jahre waren eine lange Zeit, und sie beide waren nicht mehr dieselben wie damals.
Es hatte ihr das Herz gebrochen, sich von Marcus zu trennen, als sie siebzehn Jahre alt war. Und dann hatte Ernest ihr gezeigt, wie entehrend die körperliche Liebe sein konnte. Wenig später war ihre Tochter Emma gestorben. Und Isabella wusste nun, dass sie niemals wieder Liebe wagen und Verlust riskieren würde. Marcus’ Anziehungskraft war gefährlich für sie. Die glühenden Funken ihrer Liebe zu ihm waren unter der Kruste der kalten Asche immer noch heiß. Aber Marcus begehrte sie aus den falschen Gründen. Er hatte allzu deutlich gemacht, dass er sie verabscheute, und sie würde nie nachgeben – trotz der Glut in ihren Adern, die sie nicht leugnen konnte. Es wäre Torheit, sich ihm hinzugeben, nur um die Schuld zu begleichen, die sie seiner Meinung nach ihm gegenüber hatte. Das würde sie nicht tun.
Isabella hatte sich etwas Zeit erkauft, aber in diesem Spiel musste sie ihm immer einen Schritt voraus sein. Morgen würde er zu ihr kommen, und dann hieß es, bereit zu sein: Sie musste einen Plan haben, um ihm zu entfliehen.
8. KAPITEL
Penelope Standish trug ihr Nachthemd, ein praktisches, gestreiftes Baumwollgewand ohne Rüschen. Sie saß auf ihrem Bett, und um sie herum auf der gestickten Bettdecke lagen mehrere beschriebene Blätter. Einige hatte sie aussortiert, weil sie nicht skandalös genug, andere, weil sie zu übertrieben und sensationsgeladen waren. Es war schwierig, genau den richtigen Ton zu treffen, aber Mr. Morrow, der Herausgeber des Gentlemen’s Athenian Mercury , war der Meinung, dass sie für eine Anfängerin gute Arbeit leistete.
Pen schauderte, als sie daran dachte, was Isabella wohl sagen würde, wenn sie wüsste, dass ihre eigene Schwester die Presse mit Geschichten über sie versorgte. Isabella verdiente es nicht, so hintergangen zu werden. Nach ihrer Rückkehr hatte sie ihre jüngere Schwester von Anfang so behandelt, als ob sie niemals getrennt gewesen wären. Pen war überrascht und erfreut angesichts der herzlichen Freundschaft, die wieder so schnell zwischen ihnen gewachsen war. Und doch betrog sie Isabella praktisch jeden Tag.
Dummerweise war sie reichlich verzweifelt – nein, nicht einfach nur verzweifelt, sondern vollständig und unwiderruflich hoffnungslos.
Das Haus war sehr still. Freddie hatte sie von dem Ball der Duchess of Fordyce nach Hause begleitet und war danach sofort wieder gegangen, ohne ihr zu sagen wohin. In letzter Zeit kam das häufiger vor, aber Pen brauchte ohnehin keine Erklärung. Immer wenn Freddie im Morgengrauen nach Hause wankte und nach Alkohol und billigem Parfüm roch, war es ziemlich offensichtlich, wo er die Nacht zugebracht hatte.
Einmal hatte es eine Zeit gegeben, als sie und Freddie in angenehmer gegenseitiger Zuneigung leben konnten. Sie vertrauten einander zwar nichts an, aber sie sprachen wenigstens miteinander. Jetzt aber sahen sie sich nur selten, und wenn, dann hatte Freddie keine Neigung zu reden. Pen wusste wohl, dass sie ihn bevormundete und dadurch umso mehr von ihr forttrieb, aber sie konnte nichts daran ändern. Sie machte sich Sorgen um ihn. Da war so ein gejagter Blick in seinen Augen, als ob er versuchte, irgendeine unangenehme Wahrheit mit Alkohol und Frauen und mit dem, was er sonst noch in den dunklen Nächten trieb, auszulöschen.
Das Geld war auch verschwunden. Freddies Einkommen war nie üppig gewesen, aber jetzt schien alles an die Tavernenwirte und die Bordellbetreiber der Stadt zu gehen. Pens kleine Zuwendung, ein Vermächtnis ihres Vaters, reichte nicht, um sie beide zu versorgen. So türmten sich
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