Rächer des Herzens (German Edition)
Keinesfalls als möglichen Ehemann: Pen gab ohne Weiteres zu, dass schon der Gedanke, einen so einschüchternden Mann wie Marcus zu heiraten, ihr Angst einjagte. Nein, sie dachte an ihn, weil er der einzige ihrer Verwandten war, der reich genug war, um ihr helfen zu können. Es war immerhin eine Möglichkeit, nur leider kannte sie ihn nicht so gut und hatte das Gefühl, dass er aus irgendeinem Grunde Freddie nicht mochte. Pen aber liebte ihren Bruder und wollte seine Schwächen Marcus gegenüber nicht offenlegen.
Beim Gedanke an Marcus musste sie wieder an Isabella denken. Pen hatte immer gewusst, dass Isabella und Marcus eine starke Leidenschaft verbunden hatte. In jenem letzten Sommer in Salterton war sie noch ein Kind gewesen, aber sie hatte Isabella gesehen, wie sie sich nachts aus dem Haus schlich und wie sie später mit schwungvollem Gang und leuchtenden Augen aus den Gärten zurückkam. Isabellas Verlobung mit Marcus hatte sich wie ein ganz natürlicher Schritt dargestellt, wie eine formale Anerkennung des unlösbaren Bandes zwischen ihnen. Und doch war das Band dann unwiderruflich zerrissen worden.
Aber jetzt waren beide seltsamerweise zum selben Zeitpunkt zurückgekehrt, und gemessen an ihrem Verhalten auf dem Ball an diesem Abend empfanden sie immer noch etwas füreinander. Nur waren sie jetzt älter geworden, und die Leidenschaft zwischen ihnen erschien irgendwie düsterer und auch schmerzvoller. Pen dachte daran, wie Marcus Isabella angesehen hatte, und sie erschauerte dabei. Wenn ein Mann sie jemals in dieser besonderen Weise ansehen sollte, dann würde sie wohl die Flucht ergreifen.
Marcus war von dem Ball geradewegs in die weniger bevorzugte Gegend um den Ratcliffe Highway im Osten Londons gegangen. Dank seiner Kontakte zu den Ermittlern aus der Bow Street hatte Alistair einen Hinweis bekommen, dass einer von Warwicks Komplizen an den Morden in dieser Gegend beteiligt war. Marcus verbrachte deswegen mehrere Stunden damit, mit einer beträchtlichen Summe an Informationen zu kommen. Der Versuch schlug jedoch fehl. Niemand wollte reden. Alle hatten viel zu viel Angst.
„Es ist ganz seltsam“, sagte Marcus, als beide auf dem Heimweg in einer klapprigen Pferdedroschke saßen, „aber Warwick ist wenig mehr als ein geflüstertes Etwas, oder? Er ist überall und nirgends. Ich frage mich allmählich, ob er wirklich existiert.“
„Oh, er existiert durchaus“, antwortete Alistair grimmig. Er saß in einer Ecke der Kutsche. Die Hände hatte er tief in den Taschen, und sein Kinn war von den Falten seines Halstuches verdeckt. „In der einen oder anderen Form existiert er. Ob als Hirngespinst oder als Mensch, die Wirkung ist dieselbe. Er verbreitet Schrecken bei der bloßen Erwähnung seines Namens. Das ist es, wogegen wir zu kämpfen haben.“
„Aber wie können wir ihn finden?“, fragte Marcus. „Wir wissen nicht einmal, wo wir suchen sollen. Er gleitet uns durch die Finger wie Rauch.“
Alistair wandte den Kopf um und blickte aus dem Fenster in das heller werdende Tageslicht. Für einen Augenblick dachte Marcus, dass Alistair gar nicht antworten würde. Er fühlte sich kalt, steif und enttäuscht. Das hatte nur ein Gutes: Seine Gedanken wurden kurze Zeit von Isabella abgelenkt. In einigen Stunden würde er sich frisch machen, um sich in den Brunswick Gardens zu begeben und mit ihr zu sprechen.
„Du vergisst“, sagte Alistair plötzlich, „dass du etwas besitzt, was Warwick haben will. Früher oder später wird er nach dir suchen.“
Eine gewisse lebenslustige Fürstin, deren Rückkehr nach London von allen Lebemännern und Beaus, die sie beim ersten Mal umschwärmt hatten, mit Begeisterung begrüßt worden war, trat gestern Abend auf dem schottischen Ball der Duchess of F sehr auffällig in Erscheinung. Die Fürstin, die sich nie vor ihrer Verantwortung, einen Skandal heraufzubeschwören, drückt, hat, wie man hört, die Bemerkung gemacht, dass sie nicht die Absicht habe, sich von irgendeinem Gentleman umwerben zu lassen, weil Engländer ihrer Ansicht nach die schlechtesten Liebhaber der ganzen Welt seien. Sie hat einen großen Teil ihres Lebens im Ausland verbracht und muss daher die Unterschiede recht gut kennen. Während wir uns vor der reichen Erfahrung der Fürstin auf diesem Gebiet verneigen, hoffen wir, dass sich ein Gentleman findet, der den Ruf seiner Landsleute verteidigt und die Meinung der Fürstin berichtigt. Vielleicht ist der Earl of S genau der richtige Mann für diese Aufgabe?
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