Rächer des Herzens (German Edition)
das Kind wegzunehmen, weil ich eine schlechte Mutter gewesen sei …“ Isabella hielt inne und schluckte. Man hatte ihr von Anfang an gesagt, dass die kleine Fürstin Emma Di Cassilis ihren eigenen Haushalt haben müsse, weil nur das ein angemessener Lebensstil für sie sei. Auch als sie quer durch Europa reisten, durfte das Kind nicht mitgehen. Isabella war zu der Zeit jung und unerfahren, aber sie war auch mutig. Sie hatte darauf bestanden, ihre Tochter bei sich zu behalten. Ernest hatte Isabella nur geringschätzig angesehen und sie als hoffnungslos bürgerlich verurteilt. Das machte ihr jedoch nichts aus, denn Emma bedeutete ihr alles. Und als sie an Scharlach erkrankte und starb, da starb auch ein Teil von Isabella.
Über Pens Gesicht breitete sich Mitgefühl aus. „Ja, das verstehe ich. Das heißt, ich kann natürlich nicht genau nachempfinden, was du fühlst, Bella, aber ich verstehe, dass es unerträglich für dich sein muss, wenn die Leute solche törichten und bösartigen Dinge von sich geben.“
Isabella erwiderte den Druck von Pens Hand. „Danke, Pen.“
Auf Zehenspitzen ging sie zum Fenster und zog den Vorhang etwas beiseite, um hinaussehen zu können. Dicht an dicht standen Leute auf der Straße gedrängt, schubsten sich und gestikulierten. Die einzige Person, die fehlte, war der Mann, der gesagt hatte, er werde kommen: Marcus Stockhaven. Isabella hätte es wissen müssen. Zweifellos wollte er, dass sie sich über sein Nichterscheinen ärgern sollte. Und genau das tat sie auch und verwünschte ihn dafür.
Isabella ließ den Vorhang wieder fallen. „Wenn wir wirklich das Haus verlassen wollen, dann müssen wir ein rückwärtiges Fenster nehmen“, sagte sie.
„Aber wenn wir einmal in der Bond Street sind, werden wir doch wieder von Gentlemen belästigt“, bemerkte Pen. „Verflixt! Ich habe drei Monate für eine neue Haube gespart und mich auf einen Einkaufsbummel gefreut. Aber dazu brauche ich kein Publikum.“
„Wir werden einkaufen gehen“, antwortete Isabella. „Oder wir werden die Einkäufe vielmehr zu uns kommen lassen. Belton.“ Sie wandte sich an den diensteifrig bereitstehenden Butler. „Bitte senden Sie einen Diener zu Beaux Chapeaux in der Bond Street. Sie sollen uns eine Auswahl der schönsten Hauben zur Ansicht schicken.“
Pen war ganz hingerissen. „Tun die das wirklich, Bella?“
„Oh ja“, antwortete sie. „Ich mag ja vielleicht kein Geld und keinen Kredit dafür haben. Aber jeder Geschäftsmann, der etwas auf sich hält, weiß, dass eine Fürstin immer einen Weg finden wird, wenn es sich um den Kauf von Kleidung handelt.“
Isabella warf wieder einen Blick auf die wogende Menge in der Straße. Sie hatte nicht die Absicht, sich in der nächsten Zeit im Haus zu verkriechen. Am Abend wollte sie in die Oper gehen und hatte sich gerade eine Möglichkeit ausgedacht, wie sie die Ansammlung von Bewunderern dazu nutzen könnte, eine falsche Spur zu legen und Marcus in die Irre zu führen. Und um ihm noch einen Schritt voraus zu sein, wollte sie Churchward in einem Brief anweisen, unverzüglich die Nichtigkeitserklärung in die Wege zu leiten. Sie war in Hochstimmung. Isabella fühlte sich stets wohler, wenn sie selbst den Gang der Dinge bestimmte.
Gerade wollte sie in die Bibliothek eilen und besagten Brief schreiben, da trat Belton mit einem Blumengebinde ein. Penelope lächelte.
„Oh! Das ist ja wirklich nett!“
Der Blumenstrauß war in der Tat wunderschön. Zwölf eng gebundene blassrosa Rosen in einem kleinen Korb. Nervös griff Isabella nach der beiliegenden Karte.
Die Karte trug eine ausgeprägt starke Handschrift. Die Unterschrift, so kraftvoll und kühn wie der Mann selbst, hätte Isabella gar nicht gebraucht, um zu wissen, um wen es sich handelte.
Wir treffen uns in einer Stunde in Churchwards Kanzlei. Marcus Stockhaven.
Isabella spürte plötzlich eine Kälte. Das war nichts anderes als ein strenger Befehl.
„Von wem sind die Blumen, Bella?“ Pens Frage brach in Isabellas Gedanken ein, und sie zerknüllte die Karte fast unbewusst zwischen ihren Fingern.
„Sie ist von Lord Stockhaven“, antwortete sie.
„Hat er auch ein Gedicht geschrieben?“, fragte Pen.
„Nicht gerade ein Gedicht“, antwortete Isabella mit ernstem Gesicht. „Lord Stockhaven handelt nicht feinfühlig, wenn er mit Unverblümtheit sein Ziel erreichen kann. Entschuldige, Pen“, fuhr sie fort, „aber ich habe eine dringende Verabredung. Ich fürchte, du wirst deine Haube
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