Rächerin der Engel
mehr das.«
Am Fuß der Bronzestatue eines vergessenen Bürgerkriegsgenerals saßen Miles und Bellum. Als Bree ihren letzten Fall abgeschlossen hatte, waren die beiden Wachhunde verschwunden – und jetzt waren sie auf einmal wieder da. Sie waren riesig, mit einer Schulterhöhe von hundertsiebzehn Zentimetern, und so schwarz, dass sie, als sie so dasaßen, wie ein Loch im Universum wirkten. Bellums gelbe Augen leuchteten auf, als sie Bree erblickte. Sie erhob sich, stellte die Ohren auf und wedelte zu den trauervollen Klängen von »Abide with Me« mit dem kurzen Stummelschwanz.
»Du willst Ciaran Fordham wohl gar nicht kennenlernen, wie? Und deshalb stehst du wie angewurzelt da, ja?« Antonia setzte ihren Weg fort. Als Miles und Bellum verschwunden waren, hatte sie kein Wort darüber verloren, und jetzt ging sie an ihnen vorüber, als sähe sie sie nicht einmal. Genauso wie alle anderen Leute, die durch die Grünanlage flanierten. Jeder von ihnen verhielt sich so, als gäbe es die Hunde gar nicht. Dabei hätte der Anblick zweier dermaßen riesiger Hunde die Spaziergänger doch sicher aufmerken lassen.
Bree seufzte. Sie wusste nicht, was die Hunde jetzt zu bedeuten hatten oder warum sie überhaupt hier waren. Allerdings war sie ziemlich sicher, dass sie nicht aufgetaucht waren, um Stöckchen zu apportieren.
»Tonia!«, sagte Bree.
»Was denn?«
»Sieh mal, wer wieder da ist!« Bree nickte in Richtung der Hunde.
»O mein Gott«, sagte Tonia. Sie blieb stehen und warf die Hände in die Luft. »General Sherman! Schön, dich zu sehen, Kumpel.«
Das war Antonias Vorstellung von Humor. General Sherman war der Letzte, dem man in Savannah ein Denkmal errichtet hätte. Bree wusste noch immer nicht, ob ihre Schwester Miles und Bellum bemerkte oder nicht.
»Ist das alles, was du siehst?«, fragte Bree zögernd.
Antonia starrte sie an. »Wie meinst du das? Mitten im Park steht eine zwölf Meter hohe Bronzestatue, die ja wohl kaum zu übersehen ist. Bin natürlich froh, dass er wieder da ist, obwohl ich sagen muss …«, ihre Stimme troff vor Sarkasmus, »… mir ist gar nicht aufgefallen, dass er fort war. Und jetzt lass uns endlich gehen, sonst kommen wir zu spät.«
Bree nickte. Als sie an den Hunden vorbeiging, machten diese einen Schwenk und folgten ihr. Nachdem die vier den weiß gestrichenen Zaun, der das Haus der O’Rourkes umgab, erreicht hatten, verschmolzen die Hunde mit dem Schatten und ließen sich unter zwei hohen Fenstern nieder. Während Bree die Stufen zur Eingangstür hinaufstieg, spürte sie, wie Bellum ihr nachblickte.
Die vorherrschende Farbe in Tullys Haus war Zitronengelb. Durch die Haustür gelangte man in eine quadratisch geschnittene Halle, von der eine lange, geschwungene Treppe in den ersten Stock führte. Links und rechts von der Halle lag jeweils ein riesiger Salon. Der auf der rechten Seite wurde fast völlig von einem Esstisch eingenommen, der mehr als sieben Meter lang war. An den zum Platz gehenden Fenstern hingen gelbe Samtvorhänge, die gelb gestrichenen Wände waren mit ägyptischen Artefakten geschmückt. Der Tisch war reichlich mit dem für Tee im englischen Stil erforderlichen Zubehör gedeckt. Auf Etageren lagen Sandwiches, Kuchen, Brötchen sowie diverse andere Appetithappen. Auf einer Anrichte an der hinteren Wand standen Kristallkaraffen mit Scotch, Bourbon und einer klaren Flüssigkeit, bei der es sich entweder um Gin oder Wodka handeln musste.
Das Wohnzimmer links war genauso groß wie der Raum auf der rechten Seite. Es gab dort einen Flügel, weitere Samtvorhänge sowie zahlreiche, mit zitronengelbem Chintz bezogene Sessel und Zweiersofas, die so aufgestellt waren, dass man sich bequem miteinander unterhalten konnte. In die hintere Wand war eine zweiflüglige Glastür eingelassen, die zu einem exquisiten Garten führte.
In der Halle wimmelte es von Leuten, die in der einen Hand ein Glas, in der anderen einen Teller hielten. Ein junger Mann in schwarzen Hosen und weißem Hemd ging mit einem Tablett herum, auf dem Gläser mit Wein standen. Jemand spielte auf dem Flügel – Mozart, so vermutete Bree, obwohl sie das Stück selbst nicht kannte.
»Juhu, Mädels! Hier drüben bin ich!« Cissy stand neben dem Flügel und winkte ihnen zu. Antonia packte Bree beim Arm. »Ssst! Da ist er! Gleich neben Tante Cissy.«
Bree brauchte nicht zu fragen, um wen es ging. Ciaran Fordham lehnte mit einem Drink in der Hand und einem Ausdruck höflicher Aufmerksamkeit im Gesicht an der
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