Rächerin der Engel
Wand. Bree hatte bisher noch nicht viele Berühmtheiten kennengelernt, und die Aufregung, die sie plötzlich durchströmte, überraschte sie (und war ihr auch ein bisschen peinlich). Ein kleiner dunkelhaariger, heftig gestikulierender Mann redete auf Fordham ein.
Antonia stupste Bree in den Rücken. »Du gehst voran.«
»Klar.«
Antonia drängte sie noch einmal. »Wird’s bald?«
»Ja doch.«
Tante Cissy begrüßte sie mit einem überschwenglichen Kuss, obwohl sich die drei erst vor ein paar Stunden getrennt hatten. »Sir Ciaran«, sagte sie, »darf ich Ihnen meine Nichten vorstellen? Brianna Winston-Beaufort und ihre Schwester Antonia.«
»Miss Beaufort, Antonia.« Ciarans Hand fühlte sich kühl und trocken an und war von seltsamer Leichtigkeit. Über das Aussehen Ciaran Fordhams war schon viel in den Medien gesagt worden. Er wirkte nicht auf herkömmliche Weise attraktiv. Seine Nase sprang aggressiv vor und schien zu groß für sein Gesicht. Sein Unterkiefer war massiv, sein Gesicht breit, mit hohen Wangenknochen, was ihm das Aussehen eines neuzeitlichen Dschingis Khan verlieh. Doch seine Augen waren wunderschön – ihr klares, leuchtendes Blau war von einer Intensität, dass man seinen Blick kaum aushalten konnte. Seine Schultern und die Brust waren breit, seine Haltung die eines Königs oder Kardinals.
»Ihr New Yorker Hamlet!«, röchelte Antonia. »Ultimativ! Brillant! Einfach brillant!«
Bree machte einen Schritt zur Seite, trat Antonia leicht auf den Fuß und zog sich wieder zurück.
»Meine Güte«, stieß Antonia hervor. »Was schwatze ich denn da? Äh … tut mir leid.«
Ciarans Stimme klang nüchtern und ein wenig gelangweilt und erinnerte nur von ferne an den berühmten dröhnenden Bariton. »Das war Haddads Hamlet , um genau zu sein. Meine Damen, das ist Tony Haddad. Er führt Regie.«
»Führt Regie!«, kreischte Antonia. »Das ist so, als sage man, Pavarotti singe! Ich … au!« Sie fasste nach unten, rieb sich den linken Fuß und sah Bree wütend an.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Haddad«, sagte Bree, die feststellte, dass ihr der Typ ausnehmend gut gefiel. Er war schlank und wirkte in seinem dunklen Navyhemd und den wunderbar geschnittenen grauen Hosen äußerst elegant. Außerdem sah er einfach hinreißend aus. Er lächelte Bree an. »Sie sind ein wahrer Lichtblick an diesem öden Nachmittag!« Er strich ihr sanft übers Haar. »Verzeihen Sie vielmals«, sagte er, »aber diese silberblonde Farbe ist selten. Und sehr schön.«
»Danke«, erwiderte Bree. »Ich fand den New Yorker Hamlet übrigens auch brillant.«
Seine Augenbrauen schossen nach oben. »Hm. Und was hat Ihnen daran besonders gefallen? Unsere Interpretation von Hamlets Zuneigung zu Laertes war ja ziemlich umstritten.«
»Die Schwertkämpfe«, entgegnete Bree wie aus der Pistole geschossen. »Ich bin kein großer Shakespeare-Fan, mag aber gute Schwertkämpfe.« Sie machte eine kurze Pause, um dann hinzuzufügen: »Äh … es gibt doch Schwertkämpfe im Hamlet , oder?«
Seine Hand streifte die ihre. »Schwertkämpfe sind eine Spezialität von mir.«
Kann ich mir vorstellen , dachte Bree. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, plötzlich hellwach zu sein.
»Tut mir leid, wenn ich Sie unterbreche«, sagte Cissy, »aber Tully ist eben hereingekommen.« Sie zog Antonia mit sanfter Gewalt von der Gruppe weg und sah Bree auffordernd an. »Meine Herren, sicher werden Sie Verständnis dafür haben, wenn ich Ihnen meine beiden Nichten entführe, damit sie Tully begrüßen können. Sie hat Bree extra hergebeten, weil sie sie als Rechtsanwältin engagieren will, und jetzt winkt sie uns gerade zu sich.«
»Vielleicht sehen wir uns ja wieder?« Haddad beugte sich näher zu ihr hin, so dass Bree sein würziger, warmer Duft in die Nase stieg.
Sie kam zu dem Schluss, dass Haddads Lächeln als tödliche Waffe registriert werden müsste. »Schon möglich«, erwiderte sie.
Während Cissy die zwei Schwestern durch die Menge schob, zischte sie Bree ins Ohr: »Du hast mit diesem Mann geflirtet, Bree Beaufort.«
»Das hätte ich vielleicht getan, wenn du mich nicht weggezerrt hättest.«
»Na, jedenfalls bin ich froh darüber. Ich dachte schon, du hättest gar kein Interesse mehr am Leben, seit du in Savannah bist.« Dann sagte sie mit lauter Stimme: »So, Tully, hier sind sie.«
»Wie ich sehe, haben Sie sich mit meinem Lieblingsägypter unterhalten«, stellte Tully fest. Inzwischen hatte sie den Blazer und die Hosen, die sie
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