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Rächerin der Engel

Rächerin der Engel

Titel: Rächerin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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ihre ersten beiden Fälle als Berufungsanwältin für tote Seelen war sie auf einem ganz ähnlichen Weg gekommen, nämlich indem der Klient ihr am Ort seines Todes erschienen war, und zwar auf eine Weise, die an die verwischten Bilder alter Stummfilme erinnerte. Sie überlegte, ob sie den Schreibtisch würde kaufen müssen, um mit Mr. O’Rourke in Kontakt zu bleiben. Das Stück sah allerdings ziemlich teuer aus, mochte es nun echt sein oder nicht.
    Ungeduldig zog Antonia sie am Ärmel. »Nun komm schon! Kannst du dich denn nicht von diesem alten Ding trennen?« Sie runzelte die Stirn. »Du hast doch nicht etwa wirklich vor mitzubieten, wenn dieser Schreibtisch versteigert wird, oder?«
    Bree warf einen Blick auf den im Katalog verzeichneten Mindestpreis. Selbst ein vermutlich aus dem Empire stammender Schreibtisch lag jenseits ihrer finanziellen Möglichkeiten. Andererseits: Wenn sie einen neuen Klienten hatte – und dessen war sie sich ziemlich sicher –, wie sollte sie dann mit ihm in Kontakt bleiben, wenn jemand anderes den Schreibtisch kaufte?
    »Warte mal! Natürlich musst du mitbieten! Du bist ja genial!« Antonia packte Bree am Handgelenk und zog sie eilig hinter sich her. »Dass mir das nicht selbst eingefallen ist! Du schnappst Mrs. O’Rourke diesen Schreibtisch weg, und dann, sozusagen als humanitäre Geste, übergebe ich ihn ihr im Namen des dankbaren Theaterpublikums.« Sie drängte sich durch die Leute, die auf die vor dem Podium aufgestellten Stuhlreihen zustrebten, und ließ sich brav auf dem Gangplatz der zweiten Reihe nieder. Bree stieg über Antonias Füße, um sich neben sie zu setzen.
    »Ich glaube aber nicht, dass ich bei dem Schreibtisch mitbieten kann.« Bree zeigte auf den Mindestpreis. »Achttausend Dollar. Um achttausend Dollar zusammenzukriegen, müsste ich mein Bürokonto plündern.«
    »Du willst dich also von solchen Bagatellen wie Miete und Lohnzahlungen davon abhalten lassen?« Antonia seufzte. »Du kannst mich mal, Schwesterherz. Das hab ich nun davon, eine verantwortungsbewusste Verwandte zu haben.«
    Bree nahm eigentlich nicht an, dass Petru, ihre juristische Hilfskraft, und ihr Sekretär Ron Parchese für ihre irdische Existenz auf Lohnschecks angewiesen waren. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob sie außerhalb der Zeit, die sie mit ihr zusammen waren, überhaupt eine irdische Existenz hatten. Was Lavinia Mather, ihre Hauswirtin, betraf, so wusste Bree mit Sicherheit, dass Lavinia 1783, als sie an den berüchtigten Sklavenhalter Burton Melrose verkauft worden war, das letzte Mal menschliche Nahrung zu sich genommen hatte. Doch von ihren Engeln und deren Bedürfnissen wusste noch nicht einmal ihre Schwester. Und ihr unmittelbares Problem bestand nun darin, was sie in puncto Schreibtisch tun sollte, der für ihren neuesten Klienten den Kontaktpunkt darstellte.
    Plötzlich ertönte vom Podium her Gesang. Bree setzte sich auf und sah sich um. Sie war schon früher mit ihren Eltern auf Auktionen gewesen, doch dieses Auktionshaus hier unterschied sich von allem, was sie bisher kennengelernt hatte. Zum einen war der Raum, in dem die Versteigerung stattfand, riesig und – wie Aladins Höhle – mit Gegenständen vollgestopft. Da gab es mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Sofas, Kissen mit Troddeln, gigantische Farne aus Kunststoff, Ölgemälde in Goldrahmen, drei Meter hohe Spiegel sowie überdimensionale Marmorstatuen griechischer Göttinnen und ägyptischer Pharaonen. Zum anderen ging es hier wesentlich lebhafter zu als auf den Auktionen, die Francesca und Royal Winston-Beaufort besuchten. Mehrere Angestellte in roten Hemden hatten sich vor dem Podium des Auktionators aufgebaut und gaben laut und falsch »Puttin’ on the Ritz« zum Besten, was mit gemäßigtem Applaus bedacht wurde. Nachdem die Sänger abgetreten waren, schnappte sich einer der Auktionatoren ein Mikrofon, begrüßte das Publikum und teilte ihm mit, dass heute viele, viele WUNDERBARE Dinge versteigert werden würden und dass die Versteigerung des O’Rourkeschen Nachlasses beginnen würde, nachdem man einige der vielen, vielen WUNDERBAREN Dinge hier auf dem Podium verkauft hatte. Ein paar Angestellte machten sich daran, mit Tabletts herumzugehen, auf denen Snacks, Saft, Tee und Soft Drinks gereicht wurden. Andere Angestellte postierten sich im Gang zwischen den Stuhlreihen und fingen an, rhythmisch zu klatschen, während ihre Kollegen Rollbretter mit Möbeln, Krügen, Statuen und Kisten aufs Podium

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