Rätsel um die alte Villa
zurück, winkte und nahm die
Tauchmaske, die er sich über den Oberarm gestreift hatte, vors Gesicht.
Dreimal holte er tief Luft.
Dann tauchte er ab.
Augenblicklich verstummten die
Geräusche. Nur ein fernes Gurgeln war zu hören. Tarzan sorgte für Druckausgleich.
Das Wasser war klar, hatte aber einen grünlichen Schimmer. Tarzan stieß den
Kopf hinab und tauchte am Dachrand der Kirche vorbei. Mit Schwimmflossen wäre
es leichter gewesen. Aber kraftvolle Arm- und Beinzüge brachten ihn in die
Tiefe.
Jetzt glitt er an der
Kirchentür vorbei — vielmehr an der Öffnung. Von dem Portal war nichts mehr zu
sehen. Schwarze Finsternis füllte das ehemalige Gotteshaus. Eben kam ein
Schwarm kleiner Fische heraus.
Tarzan schwamm auf das dunkle
Gebäude zu, das — jenseits einer Straße, die jetzt von Schlamm bedeckt wurde —
in der Nähe stand.
Er stieß gegen die Mauer.
Natursteine. Sie hatten Moos angesetzt. Leere Fensterhöhlen glotzten ihn an.
Bei dem Gedanken, dort hinein schwimmen zu müssen, fühlte er sich beklommen.
Dieses schweigende Dorf unter Wasser sah unheimlich aus.
Er suchte den Hauseingang,
schaffte es aber nicht mehr, weil die Luft zu knapp wurde. Er mußte auftauchen.
Für einen Moment genoß er das
Sonnenlicht. Er sah zu seinen Freunden hinüber und winkte ihnen zu. Nachdem er
seine Lungen vollgesogen hatte, tauchte er abermals ab.
Auf Anhieb fand er diesmal den
Hauseingang. Auch er war eine schwarze, gähnende Öffnung. Offenbar hatte man
vor der Überflutung alle Türen abmontiert.
Über dem Eingang entdeckte er
die eingemeißelte Hausnummer, eine Sieben.
Reichte die Luft noch?
Er schwamm durch die Tür.
Dunkelheit umfing ihn. Noch ein Stück. Seine Hände tasteten einen Türrahmen. Er
schob sich hindurch. Zur Linken sah er ein großes, helles Rechteck: ein
Fenster. Etwas von der Helligkeit schimmerte herein. Außerdem hatten sich seine
Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Er sah, wo er sich befand: in einem großen
Raum, mit gemauerten Bänken vor den Wänden, mehreren Türöffnungen und — einem
großen Kamin.
Länger reichte die Atemluft
nicht. Schon toste das Blut in den Ohren. In den Lungen schien es wie mit
tausend Nadeln zu stechen.
Tarzan nahm den kürzesten Weg,
schwamm durchs Fenster hinaus, stieg zur Oberfläche hinauf, schnappte nach Luft
und machte seinen Freunden ermutigende Zeichen.
Die drei standen nebeneinander.
Wie gebannt sahen sie zu ihm herüber.
Er tauchte.
In Labutzkas Kaminzimmer suchte
er die Wand ab. Der schmiedeeiserne Ring geriet ihm fast sofort zwischen die
Finger. Es kostete Kraft, den Stein aus der Mauer herauszuziehen. Schlamm
mülmte auf, nahm ihm die Sicht. Er ließ den Stein auf den Boden sinken und
griff in die Öffnung.
Erschrocken zog er die Hand
zurück. Was er berührt hatte, fühlte sich an wie ein Körper — wie ein toter
Frosch oder Fisch. Dann langte er abermals hinein und zog den schweren
Gegenstand aus seinem Versteck.
Es war ein großer Lederbeutel.
Die Berührung mit dem feuchten Leder hatte Tarzan erschreckt. In dem Beutel
freilich spürte er die Konturen einer schuhkartongroßen, sicherlich stählernen
Kassette.
Sie war schwer. Es kostete
Tarzan das letzte Quentchen Luft, um sie an die Oberfläche zu bringen.
Am liebsten hätte er vor
Begeisterung geschrien. Wassertretend hielt er seinen Fund über den Kopf.
Er sah zu seinen Freunden
hinüber. Aber — die waren verschwunden.
Tarzans Herz hämmerte. Für
einen Moment schien ihn die Kälte zu lähmen. Jetzt spürte er, wie sie ihm ins
Mark drang.
Er hielt die Kassette mit
beiden Händen fest und schwamm in Rückenlage zum Ufer.
Endlich spürte er Boden unter
den Füßen. Er richtete sich auf, nahm die Kassette unter den Arm, warf die
Tauchmaske die Böschung hinauf und stieg über den schlammigen Ufergrund.
Bevor er den Hang erreichte,
hörte er eine Stimme hinter den Büschen. Er kannte die Stimme.
„Bleib’ stehen, Carsten!“ rief
Otto Galster. „Keinen Schritt weiter, sonst zerschneide ich deiner Freundin mit
dem Messer die Backe. Das ist kein Spaß! Wirf den Kasten auf den Rasen.
Kapiert?“
„Du verdammter Hund“, sagte
Tarzan, wobei ihm vor Entsetzen und Kälte die Zähne klapperten. „Wenn du Gaby
ein Haar krümmst, bringe ich dich um.“
„Halt’ den Rand! Wirf jetzt das
Ding her. Dann schwimmst du bis zur Kirchturmspitze zurück — wenn dir an dem
Mädchen was liegt.“
Tarzan blieb keine Wahl. Wut
erstickte ihn fast. Aber er warf die Kassette auf den
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