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Rätsel um die alte Villa

Rätsel um die alte Villa

Titel: Rätsel um die alte Villa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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zurück.
    „Weihnachten“, sagte Klößchen
nachdenklich, „hat mein Vater einen Diamantring für meine Mutter von Adelmann
arbeiten lassen. Sieht toll aus. Mit dem Diamanten kann man Glas zerschneiden.“
    Tarzan stand auf und schob die
Brieftasche unter seine dunkelrote College-Jacke, die ihm schon ein bißchen zu
kurz wurde. Er war enorm groß für seine dreizehneinhalb Jahre — und muskulös.
Den Spitznamen Tarzan trug er zurecht. Er hatte dunkle Locken. Seine Haut war
immer so braungebrannt, als käme er gerade von einem Afrika-Urlaub. Als
Volleyball-Spieler und Judo-Kämpfer gehörte er zu den besten Sportlern der
Schule. Außerdem konnte er — und auch deshalb hatte man ihm den Spitznamen gegeben
- mit affenartiger Geschwindigkeit am Kletterseil hochturnen. Aber er war nicht
nur als Sportler beachtlich, sondern schrieb auch in Mathe eine Eins nach der
anderen. In den übrigen Fächern gab er sich allerdings nicht soviel Mühe.
    „Komm’, Willi! Auf zu Adelmann!
Uns stehen 300 Mark zu.“
    „Dir!“ sagte Klößchen. „Ich
komme nur mit, um dir beim Tragen zu helfen. Schließlich muß einer die
Verantwortung tragen.“
    Sie schoben ihre Räder zum
Ausgang der Grünanlage.
    Es war Ende Juni und das Wetter
sommerlich heiß.
    Über der Stadt — einer
Großstadt mit Flughafen, Industrieanlagen und allem Drum und Dran — hing eine
Dunstglocke. Sie färbte den Himmel grau. Das sah nach Gewitter aus, täuschte
aber.
    Tarzan warf einen Blick auf die
Armbanduhr. Es war kurz vor halb drei. Bis vier dauerte die Freizeit. Dann
begann die Arbeitsstunde, und sie mußten zurück ins Internat.
    „Ich weiß den Weg“, sagte
Klößchen und stieg auf sein Rad.
    Äußerlich und zum Teil auch in
seinem Gemüt verkörperte er das Gegenteil von Tarzan. Klößchen war eher klein
und sehr rundlich — wie schon der Spitzname verrät. Von Sportlichkeit hielt er
nicht viel. Gemütlichkeit lag ihm mehr, besonders wenn es darum ging, sich in
der Schule anzustrengen. Das führte zu besorgniserregenden Zensuren, obwohl er
pfiffig und schlau war. Außerdem war er vernascht, Schokolade seine
Leidenschaft. Pfundweise konnte er sie vertilgen, ohne über Bauchweh zu klagen.
Ein Tag ohne Schokolade war undenkbar für ihn. Vielleicht lag das auch nur daran,
daß sein Vater eben ein großer Schokoladen-Fabrikant war — und deshalb so
reich.
    „Bin gespannt, was der Adelmann
für Augen macht“, sagte Klößchen, während sie durch die Innenstadt fuhren.
    Das Geschäft lag in einer der
feinsten Einkaufsstraßen.
    Die beiden Freunde stellten
ihre Räder an den Bordstein, dicht hinter einen parkenden
Zwölf-Zylinder-Jaguar, den gleichen, den auch Klößchens Vater fuhr. Das heißt,
selbst fuhr Herr Sauerlich nie. Dafür war Georg zuständig, sein Chauffeur.
    Mit dem Kabelschloß sicherten
sie die Räder.
    Tarzan sah in die vier
Schaufenster des Juweliers Adelmann. Hinter Panzerglasscheiben ruhte
kostbarster Schmuck auf schwarzem Samt.
    Sie traten in das Geschäft.
    Dicke Teppiche dämpften den
Schritt. In Vitrinen lag Schmuck aus. Rokoko-Sessel standen für Kunden bereit.
Eine Klimaanlage sorgte für angenehme Kühle. Hinter dem Verkaufstresen wartete
eine Verkäuferin auf Kundschaft. Die Tür zu einem Büro war geöffnet. Ein Mann
im dunklen Nadelstreifenanzug telefonierte dort, wandte aber der Tür den Rücken
zu.
    „...habe keine Ahnung, wo“,
sagte er in diesem Moment. „Ich bin in der Mittagszeit spazieren gegangen. Fast
eine Stunde lang. Ja, 6000 Mark waren drin. Wie? Sie meinen, es besteht wenig
Aussicht, die wiederzukriegen. Gibt es denn keine ehrlichen Menschen mehr?“
    „Bitte sehr?“ fragte die
Verkäuferin freundlich.
    „Wir möchten Herrn Adelmann
sprechen“, sagte Tarzan.
    „Kleinen Augenblick. Ich sag’s
ihm.“
    Inzwischen hatte der Mann sein
Telefonat beendet. Seufzend wandte er sich um und kam herein.
    „Die beiden jungen Herren
möchten Sie sprechen, Herr Adelmann“, sagte die Verkäuferin.
    Der Juwelier sah so aus, wie
Tarzan sich einen englischen Lord vorstellte: gediegen. Er hatte ausgeprägte
Züge, eine Adlernase, buschige Brauen und einen braunen Schnauzbart, der ihn
älter erscheinen ließ als 46 Jahre. Als einzigen Schmuck trug er einen
Diamantring am kleinen Finger.
    Tarzan fiel auf, daß er den
rechten Arm leicht angewinkelt und seltsam steif hielt.
    „Ja, bitte?“ Auch er fragte
freundlich, wirkte aber etwas geistesabwesend.
    „Wir haben Ihre Brieftasche
gefunden“, sagte Tarzan. Er zog sie

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