Rätselhafte Umarmung
wieder an Rachel. »Sie sagten >wir<. Sie haben also einen Partner?«
»Ich hatte einen«, erklärte Rachel knapp. Ihre Finger krampften sich um die Gabel, während sie auf den Kommentar wartete, den ihre Mutter bestimmt dazu abgeben würde.
»Widerwärtiges kleines Frettchen.«
»Mutter, bitte ...«
»Addie, ich liebe es, wenn Sie Ihr Haar so tragen. Wie heißt diese Frisur?« fragte Bryan.
Addie sah ihn finster an. »Das ist ein Zopf. Ganz ehrlich, Hennessy, manchmal frage ich mich, ob Sie nicht geistig zurückgeblieben sind.«
»Jedenfalls steht Ihnen die Farbe ganz ausgezeichnet«, fuhr er lächelnd fort, während er das Gemüse mit der Gabel aufspießte.
Addie war hin-und hergerissen zwischen Rachel und Bryan, zwischen Missfallen und Albernheit. Bryan gewann sie mit einem Zwinkern für sich, und sie wandte sich ihm geschmeichelt zu. »Finden Sie wirklich?« fragte sie, während sie den struppigen Zopf streichelte, der ihr über die Schulter hing. »Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, es zu färben. Im Fernsehen hatten sie neulich eine Farbe namens >betörendes Ebenholz<.«
»O nein. Blondinen werden immer bevorzugt. Glauben Sie mir«, erklärte ihr Bryan lächelnd.
Addie errötete und wandte sich Jayne zu. »Er ist so ein Char meur.«
»Das war er schon immer, Addie«, bestätigte Jayne. »Seine ganze Familie ist so. Mein Gott, Sie würden in Ohnmacht fallen, wenn Sie all diese Männer auf einen Haufen sähen. Sie sehen aus, als hätte man sie aus Gentleman's Quarterly ausgeschnitten.«
»Wo ist denn dieser Australier heute abend?« wollte Addie wissen, deren Geist sich schon wieder von Bryan abgewandt hatte.
»Reilly ist in Vancouver und dreht einen Film«, antwortete Jayne. Sie wurde unwillkürlich rot, als sie an ihren Mann dachte.
Bryan gelang es, die Unterhaltung von da an mehr in Jaynes Richtung zu lenken. Er brachte sie dazu, ausgiebig von der Schauspielerlaufbahn ihres Mannes und von ihrer eigenen beginnenden Karriere als Regisseurin zu sprechen. So gerne er auch mehr über Rachel und ihre Vergangenheit erfahren hätte, er wollte nicht, daß Jayne ihr die Informationen hier am Esstisch entlockte, wo Addie alles ins Lächerliche ziehen würde.
Dabei hätte er noch vor vierundzwanzig Stunden selbst Rachel gern lächerlich gemacht, fiel ihm plötzlich ein. Aber da hatte er noch keine Gelegenheit gehabt, sie zu beobachten. Bis dahin hatte er alles, was er über sie wusste , aus Addies schneidenden Bemerkungen und dem Schmerz, der daraus sprach, geschlossen. Jetzt hatte er Rachel kennengelernt. Er hatte gesehen und gespürt, wie sie sich aus einem Gestrüpp widerstreitender Gefühle freizukämpfen versuchte. Er hatte mitbekommen, wie sehr sie auf ein winziges Zeichen hoffte, daß ihre Mutter ihr vergeben hatte, und er hatte gesehen, wie der Schmerz aus ihren tiefblauen Augen blitzte, als all ihre Hoffnungen aufs bitterste enttäuscht wurden.
Er hatte sich dazu durchgerungen, Addie und Rachel nach besten Kräften zu helfen. Und seit diesem Augenblick hatten sich seine Gefühle Rachel gegenüber unmerklich verändert. Er spürte, wie sein Beschützerinstinkt ihr gegenüber erwachte. Jedesmal, wenn Addie ihr mit ihrer rasiermesserscharfen Zunge eine weitere Wunde zufügte, spürte er den unbestimmten Drang, Rachel in die Arme zu nehmen. Er versuchte, das Gefühl zu verdrängen, weil er im Grunde immer noch nicht bereit war, sich einzumischen, aber es wollte trotzdem nicht weichen.
Schließlich schob Jayne ihren Stuhl vom Tisch zurück und sah sie der Reihe nach entschuldigend an. »Ich sage das äußerst ungern, aber ich habe heute abend noch ein wichtiges Treffen. Ich muss wirklich gehen. Vielen Dank für die Einladung, Addie.«
»Du hast dich selbst eingeladen«, sagte Bryan mit einem ironischen Grinsen und stand ebenfalls auf.
Jayne schnitt ihm eine Grimasse. »Werd nicht schnippisch. Immerhin habe ich die Brötchen mitgebracht.«
»Das hast du«, gab er bereitwillig zu. »Und sie waren wirklich köstlich.«
Jayne beugte sich vor, küsste Addie auf die blasse, pergamentartige Wange und wünschte allen einen guten Abend.
»Wo steckt dieser Australier?« fragte Addie.
»Er arbeitet«, antwortete Jayne geduldig. Sie beugte sich noch mal vor und umarmte Rachel spontan. »Es war wirklich nett, Rachel. Sie müssen uns bald einmal auf der Farm besuchen.«
Rachel musste einfach läc h eln. Es war unmöglich, Jayne nicht zu mögen. Sie hatte das Gefühl, eine neue Freundin gewonnen zu
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