Rätselhafte Umarmung
Frauen wanderten gemeinsam davon und tauschten Schönheitsrezepte aus.
Rachel stand in der Tür, hatte den Morgenmantel fest um sich gezogen und schaute Bryan zu, der sich auf einen Stuhl gestellt hatte und behutsam die Videokassette aus der Kamera zog, die er in der Ecke über der Tür aufgebaut hatte.
»Vermutlich darf ich hoffen, daß sie beide unter den gleichen Halluzinationen leiden.«
»Höchst unwahrscheinlich«, antwortete Bryan. Er ließ die Videokassette klappern. »Genauso unwahrscheinlich wie ein Geist, der ein Eisengeländer aus der Verankerung reißt oder Dreck ins Haus schleppt oder durch eine Stufe bricht. Ich glaube, wir haben gleich alle nötigen Beweise, um zu zeigen, daß Schweinchen Schiaus Genosse unser geheimnisvoller Besucher ist.«
Rachel schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, warum Rasmussen und Porchind versuchen sollten, uns aus dem Haus zu vertreiben. Sie wissen doch, daß ich verkaufen will.«
»Sie wissen auch, daß Addie keinesfalls ausziehen will«, schränkte Bryan ein. »Außerdem könnte ich mir vorstellen, daß sie dich einschüchtern wollen, damit du mit dem Preis runtergehst. Wenn du unbedingt ausziehen willst, dann wirst du ihnen das Haus vielleicht überlassen, ohne es vorher noch anderen Käufern anzubieten. Auf diese Weise kann es ihnen niemand wegschnappen.«
Er verstummte plötzlich und starrte mit klarem, nachdenklichem Gesicht an Rachel vorbei. »So kann es ihnen niemand wegschnappen«, wiederholte er. »Ja.«
Rachel ging auf seine eigenartig entrückte Miene nicht ein. Zu ihrer Verwunderung hatte sie sich inzwischen an Bryans sonderbares Benehmen gewöhnt. »Und was ist mit Addies Geist? Gibst du jetzt endlich diesen lächerlichen Geisterglauben auf?«
»Nein, keineswegs. Ich weiß zwar noch nicht, wie Wimsey in all das hinein passt , aber das werde ich schon noch herausfinden.«
Bryan grinste breit und hocherfreut über sein neuestes Beweisstück. Ein Rätsel war so gut wie gelöst. Bald würde sich alles aufklären. Er konnte es spüren.
Rachel trat in den Flur. »Wir sehen uns oben. Ich gehe lieber hinauf, falls Roberta und Mutter auf die Idee kommen, sich gegenseitig neue Frisuren zu verpassen.«
»Ich komme gleich nach«, versprach Bryan.
Er schaltete seine Geräte wieder ein, für den unwahrscheinlichen Fall, daß ihr geisterhafter Besuch noch einmal auftauchen sollte, dann schenkte er sich einen Drink aus der Flasche ein, die immer noch in der Scheibtischschublade lag. Er hatte Rachel erklärt, daß er den Schreibtisch selbst kaufen würde, aber er hatte sich unnötig Sorgen gemacht. Aus einem unerfindlichen Grund war während des Flohmarkts niemand ins Arbeitszimmer gekommen. Die Menschen hatten den Raum gemieden. Bryan hatte das starke Gefühl, daß er wusste , wieso das so war.
Jetzt hob er sein Glas in einem Toast auf das wie auch immer geartete Wesen, das dieses Zimmer bewohnte, und sagte: »Ich weiß noch nicht, wie du in das Bild passt , Wimsey, aber ich werde es schon noch herausfinden.« Er nahm einen Schluck, drehte sich dann um und betrachtete lange und nachdenklich das Porträt Arthur Drakes. Der Mann deutete in seine Richtung; der rätselhafte
Ausdruck seines Gesichts machte Bryan wütend. »Und ich werde es herausfinden, was du damit zu tun hast, Arthur. Darauf kannst du deinen Kopf verwetten.«
Das Videoband zeigte einen männlichen Hinterkopf. Das war alles an Beweisen. Ansonsten war ausschließlich Tante Roberta zu sehen - schreiend, zeternd, wild fuchtelnd. Sie verstellte die ganze Zeit das Bild. Der Film in der Fotokamera war auch nicht ergiebiger - er enthielt größtenteil Fotos von Tante Roberta in ihrem hysterischen Anfall. Es war gelinde gesagt eine Enttäuschung.
Das Telefonat, das Bryan am nächsten Morgen mit Shane führte, hob seine Laune nicht gerade.
»Ich habe über keinen von beiden etwas gefunden«, berichtete Callan. »Porchind hat bis zu diesem Sommer an einem zweitklassigen College in Oregon Literatur unterrichtet. Rasmussen besitzt ein Antiquariat. Sie haben bis jetzt nicht mal eine Anzeige wegen Falschparkens kassiert. Tut mir leid.«
Wider Willen musste Bryan lächeln. Shane klang, als wäre es ihm lieber gewesen, die beiden als berüchtigte Serienmörder entlarven zu können.
»Gibt es irgendeinen Hinweis, was die beiden in Anastasia suchen könnten?« fragte Bryan.
»Nein. Aber Faith meint, du solltest dich mal mit Lorraine im Allingham Museum an der Seventh Avenue unterhalten. Sie lebt seit
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