Rätselhafte Umarmung
ewigen Zeiten hier. Sie müßte dir alle Fragen über die Geschichte des Ortes beantworten können.«
Bryan zog einen Notizzettel aus der Tasche, fand seinen Bleistift hinter dem linken Ohr und schrieb sich die Adresse auf.
»Faith meint außerdem, du solltest wieder mal zum Friseur gehen.«
»Danke«, sagte Bryan und musterte kritisch das Gesicht im Spiegel.
»Keine Ursache. Du weißt, wen du anrufen muss t, wenn sich was Aufregendes tut.«
Lächelnd verabschiedete sich Bryan von seinem Freund. Shane schien sich im Keepsake Inn ausgesprochen wohl zu fühlen, wo er sich mit seinen Liedern und Gedichten beschäftigte. Er war ein liebevoller Vater und ein aufopferungsvoller Ehemann, aber Byran hatte das Gefühl, daß Faith den ehemaligen Agenten nicht wirklich gezähmt hatte.
Bryan stopfte die Notiz in die Tasche seiner Khakihose und machte sich auf die Suche nach Rachel. Seine Gedanken drehten sich um die wenigen Hinweise, die Shane ihm hatte geben können. Er stellte sich vor, wie Miles Porchind mit seinem schlechtsitzenden Sakko in einem muffigen Klassenzimmer stand und die erste Reihe mit Speichel besprühte, während er der Schulklasse von Shakespeare erzählte. Er stellte sich vor, wie Felix Rasmussen in einem dunklen Laden irgendwo in einer kleinen Seitenstraße zwischen staubigen Stapeln zweitklassiger Bücher herumkrabbelte.
Literatur. Bücher. Porchind war am Verkaufstag wegen der Bücher gekommen. Ihr nächtlicher Besucher hatte sich auf dem Weg nach draußen einen Armvoll Bücher geschnappt. Hatten die beiden es am Ende gar nicht auf Drake House, sondern auf irgend etwas darin abgesehen?
»Bryan, sie treiben mich zum Wahnsinn«, beschwerte sich Rachel, die eben aus der Küche kam. Sie wrang ein Handtuch in den Händen, als wollte sie es erwürgen.
»Wer?«
Rachel starrte ihn an, als hätte er vollkommen den Verstand verloren. »Wer? Na, wer wohl? Himpelchen und Pimpelchen. Meine Mutter und deine Tante.«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie werden ausgezeichnet miteinander auskommen, wenn sie sich erst richtig kennengelernt haben.«
»Wie sollen sie sich denn kennenlernen? Meine Mutter lebt die meiste Zeit in einer anderen Welt, und deine Tante nennt niemanden zweimal beim gleichen Namen. Sie kommen mir vor wie zwei junge Hunde, die ihren Schwänzen nachjagen!« Sie imitierte Roberta boshaft treffend, indem sie die allgegenwärtige Zigarette durch einen Kugelschreiber ersetzte: »>Meine Güte, Rochelle, du machst phantastische Eier!< Dann sagte meine Mutter: >Wer ist Rochelle< - >Deine Tochter, um Himmels Willen, Amelia! Deine Tochter Roxanne!< Und dann fängt das Ganze von vorne an! Sie sind schlimmer als Abbott und Costello!«
»Ganz ruhig, Süße«, munterte Bryan sie auf. Er zog lächelnd eine Münze aus ihrem Ohl', reichte sie ihr und tätschelte ihr die Wange. »Kauf dir eine Tasse Kaffee. Sie werden schon zurechtkommen. Es wird sich alles finden. Du wirst schon sehen.«
Er drehte sich um und ging zur Tür. Rachel schaute ihm wütend und entgeistert nach. »Wo willst du denn hin?«
»Ich gehe zum Friseur!« rief er und winkte ihr über die Schulter zu.
Rachels Kiefer begannen zu mahlen. Das sah ihm ähnlich - fröhlich irgendwelchen nebensächlichen Geschäften nachzugehen und sie mit ihren Problemen allein zu lassen.
Nein, verbesserte sie sich. Sie sank müde gegen die Wand. Das sah Terence ähnlich. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Bryan war netter zu ihr, als es Terence je gewesen war, und längst nicht so egozentrisch; aber wenn es darum ging, Verantwortung zu übernehmen, dann glichen sich beide wie ein Ei dem anderen. Beide bügelten unangenehme Wahrheiten mit ein paar platten Worten nieder und überließen es ihr, sich mit der wirklichen Welt auseinanderzusetzen, während sie ihren fixen Ideen nachjagten.
Als Bryan ein paar Stunden später wieder in Drake House eintraf, konnte er seine Freude kaum verhehlen. Bedauerlicherweise war Rachel weder in der Verfassung noch in der Lage, seine neuesten Theorien und die Geschichte, die ihnen zugrunde lag, anzuhören.
Bryan kletterte hinter dem Lenkrad von Rachels Chevette hervor und betrachtete ungläubig die Szene, die sich ihm bot. Addie hing halb aus ihrem Schlafzimmerfenster und schleuderte Rachels Sachen Stück für Stück auf den Rasen vor dem Haus. Rachel rannte auf der Wiese herum, sammelte Unterwäsche auf, zog Büstenhalter von den Büschen und grub ihre Schuhe wieder unter den Bodendeckern aus.
»Was ist denn
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