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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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allzu vielen Außenstehenden rechnen brauchten. Und wenn Becker auf die Idee kommen sollte, irgendwann einmal darüber zu schreiben, würde ich ihn mit Hausverbot in der Kriminalinspektion belegen. Trotzdem fühlte ich mich wie ein Bandscheibengeschädigter. Das Ambiente war nicht unbedingt mit einem gepflegten Wohnzimmer zu vergleichen. Überall krabbelten irgendwelche kleinen Viecher herum, die ich in meinem Leben noch nie gesehen hatte. Das nervende Echo und das flackernde Taschenlampenlicht taten das Übrige. Ich hatte keine Idee, was ich in diesem Tunnel zu finden glaubte. Würden wir am Ende irgendwo unterhalb der Brauerei herauskommen? Dann hätten wir allerdings noch einige 100 Meter Fußweg vor uns. Ich besann mich. Effektiver und weit weniger gefährlich dürfte es sein, diese Schatzsuche abzubrechen und Professor Kleinmacher aufzusuchen. Die Gänge unter der Klinik könnten dann ein paar Mannheimer Kollegen untersuchen. Die hatten sowieso zu wenig zu tun. Ich blieb stehen und Dietmar Becker, der mir auf den Fersen folgte, rempelte mich an.
    »Was ist los?«, fragte er überrascht. »Wollen Sie eine Pause machen?«
    »Nicht ganz, wir brechen ab, bevor etwas passiert. Die Gänge können später ein paar Kollegen untersuchen.« Ich drehte mich um und leuchtete Becker unabsichtlich ins Gesicht. Seine Enttäuschung war ihm deutlich anzusehen.
    »Lassen Sie uns wenigstens bis zu der Biegung da vorne gehen«, bettelte er.
    Ich drehte mich ein weiteres Mal um und leuchtete in den Tunnel. Nach ungefähr 30 Metern schien er abzubiegen, vielleicht endete er dort. So genau war es von unserem Standpunkt aus nicht festzustellen. »Okay, auf die paar Meter soll es nicht mehr ankommen.«
    Mit Freuden stellte ich fest, dass die Höhe des Weges nun knapp über der meiner Körpergröße lag.
    »Endstation«, meldete ich mit dem üblichen vielstimmigen Echo, als wir die Biegung erreicht hatten. Neugierig leuchtete ich in den neuen Abschnitt. »Da geht’s ja noch tiefer runter«, staunte ich aufgrund der Treppenstufen, die direkt vor uns begannen.
    »Das sind höchstens zehn Stufen«, zählte der Student. »Lassen Sie mich da noch schnell runtergehen. Vielleicht kann ich dort was entdecken.«
    Widerwillig überließ ich ihm die Lampe. Ich hatte keine Lust, die buckligen und rutschigen Lehmstufen zu begehen. Doch Becker war voller Elan, was erhoffte er sich nur, dort zu finden?
    Es war ein beengendes Gefühl, im Dunkeln zu stehen, während sich der Lichtkegel immer mehr entfernte.
    »Haben Sie etwas gefunden?«
    »Ohohoho, halloooho.«
    Mist, das Echo wirkte durch die Distanz zwischen dem Studenten und mir noch bedrohlicher.
    »Herr Becker? Alles klar?«
    Keine Antwort. Der Lichtkegel blitzte wirr durch den Tunnel.
    »Hallo, ist mit Ihnen alles in Ordnung?«
    Der Lichtkegel zeigte starr nach unten. Becker musste am Ende der Treppe angelangt sein. Irgendetwas stimmte nicht. Dass sich neben uns weitere Personen hier unten aufhielten, schloss ich als vernunftbegabter Mensch aus. Becker musste etwas entdeckt haben. Oder war er vielleicht gestürzt? Nein, das hätte ich am Echo hören müssen. Im selben Moment wusste ich, was los war: Kohlenstoffdioxid! Becker war die Treppe nach unten gegangen, und dort musste es wegen fehlender Frischluft verdammt wenig Sauerstoff geben. Jetzt war eine schnelle Entscheidung gefragt. Der Student schwebte in tödlicher Gefahr, aus der er sich selbst nicht mehr befreien konnte. Ich musste ihn wieder nach oben schaffen und das sehr schnell. Wenn ich dafür zu lange benötigen würde, würde man vielleicht in ein paar Jahren per Zufall zwei Skelette finden. Ich dachte an Ferdinand und sog so viel Luft in meine Lungen, bis es zu schmerzen begann. Gleichzeitig ließ ich mich auf meinem Hosenboden die Treppenstufen hinuntergleiten, den Lichtkegel in zehn Metern Entfernung als einzige Orientierung nutzend. Die Lehmstufen waren beinhart, und mehr als einmal berührte ich mit meinen Schultern oder dem Kopf unverhofft und äußerst schmerzhaft die Wand des Stollens. Nach unten ging es schnell, runter kam man immer, wie schon eine alte Pilotenweisheit besagte. Ich stolperte über Beckers Füße, der auf dem Boden lag und leise vor sich hinröchelte. Die Lampe hielt er nach wie vor starr in seiner Hand. Ich nahm sie und leuchtete ihm ins Gesicht. Er wirkte wie jemand, der im Delirium lag. Ich schlug ihm mit der flachen Hand zwei- oder dreimal auf die Wangen, weil ich das irgendwann mal so im Fernsehen gesehen

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