Rage Zorn
Probe stellen.«
Ja, mit diesem verhängnisvollen Essen , dachte sie. Jack hatte sich mit ihnen in seinem Stammlokal verabredet. Sie und Dean waren jeweils allein und ohne voneinander zu ahnen hingekommen.
Ihm zum ersten Mal seit jener Nacht wieder gegenüberzusitzen, war so schwierig, wie sie befürchtet hatte. Jeder Augenkontakt kostete sie Mühe, trotzdem musste sie immer wieder zu ihm hinübersehen, und jedes Mal ertappte sie ihn dabei, wie er einen verstohlenen Blick in ihre Richtung warf. Ihre Unterhaltung blieb angestrengt und steif.
»Dieses Essen war ein echter Belastungstest für mich«, sagte Dean. »Du hattest all meine Versuche, mit dir zu reden, abgeschmettert.«
»Ich wollte einen klaren Schlussstrich ziehen, Dean. Ich traute mich nicht einmal, mit dir zu telefonieren.«
»Mein Gott, Paris, ich bin damals tausend Tode gestorben. Ich wollte um jeden Preis erfahren, wie du dich fühlst. Ob mit dir alles in Ordnung war. Ob du schwanger warst.«
»Schwanger?«
»Wir hatten nichts benützt.«
»Ich habe damals die Pille genommen.«
»Aber das wusste ich nicht.« Er lächelte bitter. »Ich hatte sogar die egoistische Hoffnung, ich hätte dir ein Kind gemacht.«
Nicht einmal jetzt konnte sie ihm gestehen, dass sie sich damals an die gleiche eitle Hoffnung geklammert hatte. Sie war tief enttäuscht gewesen, als ihre nächste Periode kam. Wäre sie schwanger gewesen, hätte sie keine Wahl gehabt, als Jack die Wahrheit zu gestehen. Damit hätten sie und Dean eine Rechtfertigung gehabt, ihm so wehzutun. Aber es hatte nicht sein sollen.
»Ich bin damals durch die Hölle gegangen, so quälte ich mich mit der Frage, wie es dir wohl gehen mochte, als ich dich an jenem Abend allein gelassen hatte«, hörte sie ihn sagen. »Und plötzlich saà ich dir gegenüber, nur durch einen Meter Tisch getrennt, und konnte immer noch nichts von dem fragen oder sagen, was mir auf der Seele lag.
Und das war nicht alles. Dass ich Jack hintergangen hatte, brachte mich fast um«, fuhr er fort. »Jedes Mal, wenn er einen Witz machte oder den Arm um meine Schultern legte und mich als seinen besten Freund bezeichnete, kam ich mir vor wie ein Judas.«
»Er hat alles versucht, damit es ein lustiger Abend wurde. Wie immer ein Garant der guten Laune.«
Jack hatte so gewirkt, als wäre er fest entschlossen, nicht zu bemerken, wie verlegen sie waren. Er hatte zu viel getrunken, zu laut geredet, zu fröhlich gelacht. Beim Dessert warf er schlieÃlich das Handtuch und wollte wissen, was los war.
»Hört zu, mir reicht es jetzt mit euch beiden, okay?«, hatte er
gesagt. »Ich will wissen, was mit euch los ist, und ich will es hier und jetzt wissen. Wieso seid ihr auf einmal so verlegen, wenn ihr zusammen seid? Mein Tipp ist, dass ihr euch entweder A) während der Geiselnahme gezofft habt oder euch B) hinter meinem Rücken trefft. Also erzählt mir jetzt, weshalb ihr aneinander geraten seid, oder rückt mit eurem Geständnis raus.«
In dem Irrglauben, einen besonders gelungenen Witz gemacht zu haben, verschränkte er die Arme auf dem Tisch und grinste sie nacheinander an.
Aber Dean hatte Jacks Grinsen nicht erwidert, und auch sie hatte das Gefühl gehabt, ihr Gesicht würde zerspringen, wenn sie auch nur zu lächeln versuchte. Ihr Schweigen sprach Bände. Trotzdem vergingen mehrere Sekunden, ehe Jack ein Licht aufging. Es war ein Anblick, der sich wie ein Messer in ihr Herz bohrte. Sein Grinsen fiel in sich zusammen. Erst sah er sie beinahe rätselnd an. Dann sah er Dean an, als wollte er ihn durch seinen Blick beschwören, ihn anzulachen und etwas zu sagen, wie: »Mach dich nicht lächerlich.«
Aber als keiner von beiden einen Ton sagte, begriff er, dass er mit seiner ironischen Bemerkung ins Schwarze getroffen hatte. »Du Dreckschwein«, sagte er. Er sprang auf und zischte Dean zu: »Du zahlst, mein Freund.«
Offenbar war Dean ihren Gedanken gefolgt, denn er sagte unerwartet: »Ich werde nie sein Gesicht vergessen, als ihm damals alles klar wurde.«
»Ich auch nicht.«
»Ich hatte es so eilig, ihm nach drauÃen zu folgen und ihn daran zu hindern, sich ans Lenkrad zu setzen, dass mein Stuhl umkippte. Als ich ihn wieder aufgestellt hatte, wart ihr schon verschwunden.«
»Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich ihm durch das Restaurant nachgelaufen bin«,
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