Rage Zorn
nicht darüber reden, okay? Wir sehen uns heute Abend.«
Sie klickte ihn weg. Er wünschte, er hätte sie noch länger hinhalten können, weil damit die Leitung belegt geblieben wäre. Falls sein Onkel noch länger ein Besetztzeichen gehört hätte, hätte er vielleicht die Lust verloren und aufgehört, ständig bei ihm anzurufen.
Seit Onkel Wilkins erfahren hatte, dass Janey Kemps Leiche gefunden worden war, hatte er in regelmäÃigen Abständen angerufen. Er tat so, als würde er sich Sorgen machen, dass der Sender in den Fall hineingezogen werden könnte, aber Stan wusste genau, warum sein Onkel so oft anrief â weil er ihn nicht aus den Augen lassen wollte.
Er hätte niemals zugeben dürfen, dass er Paris Gibson attraktiv fand. Man hätte meinen können, das wäre das Einzige, was seinem Onkel von ihrer Unterhaltung im Gedächtnis geblieben war. Er redete von nichts anderem mehr.
Bei ihrem letzten Telefonat hatte ihm Wilkins mit seiner bedrohlichsten Stimme erklärt: »Wenn du irgendwas Perverses oder Ungehöriges getan hast â¦Â«
»Ich war in ihrer Gegenwart keusch wie eine Nonne. Das schwöre ich bei Gott.«
Wie hätte er sich in ihrer Gegenwart auch anders verhalten können? Sie war nicht rundheraus abweisend, aber sie wirkte auch nie besonders froh, ihn zu sehen. Manchmal wirkte sie zerstreut, wenn sie gerade mit ihm sprach, so als würde sie an etwas anderes denken, das wichtiger und interessanter war als er.
Er war sicher, dass sie ihm die Kniescheiben zerschmettert hätte, falls er sich jemals an sie rangemacht hätte. Sie schien absolut unempfindlich gegen jeden Flirt zu sein. Im Gegenteil, oft sah sie durch ihn hindurch, als wäre er gar nicht da. Genau wie seine Eltern früher behandelte sie ihn mit einem freundlichen Desinteresse, das fast so verletzend war wie offene Zurückweisung. Er war immer nur ein lästiges Anhängsel gewesen.
Seine Chancen auf eine Beziehung mit Paris waren immer nur minimal gewesen. Aber als Dean Malloy auf der Bildfläche erschienen war, waren sie völlig ausgelöscht worden. Malloy war ein arroganter Hurensohn, der von sich und seiner umwerfenden Wirkung auf das andere Geschlecht überzeugt war. Er müsste niemals eine Sekretärin bedrängen, damit sie ihren Rock hob, oder ein Mädchen bei einem Date mit Engelszungen ins Bett locken.
Eine grundlegende Wahrheit: Männern wie Malloy fiel alles in den SchoÃ.
Eine weitere Wahrheit: Frauen wie Paris fühlten sich zu solchen Männern hingezogen.
Menschen wie Paris und Malloy hatten nie erfahren, wie es ist, abgewiesen zu werden. Ihnen würde nie in den Sinn kommen, dass andere Menschen vielleicht nicht so leicht Liebe und Zuneigung fanden wie sie. Sie leuchteten wie helle kleine Planeten und ahnten nicht, wie sich jene Menschen fühlten, die sie nur umkreisen konnten. Sie hatten keine Ahnung, wie weit manche Leute gehen würden, um jene Bewunderung zu ernten, die sie für selbstverständlich hielten.
Nicht die leiseste Ahnung.
Â
Gavin hatte den Kopf so weit gesenkt, dass sein Kinn fast auf der Brust lag. »Im See?«
»Ihr Leichnam wird gerade ins gerichtsmedizinische Institut überführt, wo er obduziert wird, um die Todesursache zu bestimmen.«
Gavin hob den Kopf. Die Nachricht von Janeys Tod hatte ihn erbleichen lassen. Er schluckte mühsam. »Dad, ich ⦠du musst mir einfach glauben. Ich war es nicht.«
»Das glaube ich dir. Aber ich glaube genauso fest, dass du mir etwas verschweigst.«
Gavin schüttelte den Kopf.
»Was es auch sein mag, es wäre bestimmt besser, wenn du es mir erzählst, als dass es bei einem Lügendetektor-Test herauskommt. Also, was soll ich nicht wissen?«
»Nichts.«
»Du lügst, Gavin. Das spüre ich.«
Beide Fäuste fest geballt, sprang der Junge auf. »Du hast kein Recht, jemanden als Lügner zu beschuldigen. Du bist der gröÃte Lügner, den ich kenne.«
»Was redest du da? Wann habe ich dich angelogen?«
»Mein ganzes Leben lang!« Dean beobachtete erschrocken,
wie seinem Sohn die Tränen über die Wangen liefen. Wütend wischte Gavin sie mit seinen Fäusten weg. »Du. Mom. Immer habt ihr mir erzählt, dass ihr mich lieben würdet. Von wegen!«
»Wie kommst du darauf, Gavin? Wieso glaubst du, wir würden dich nicht lieben?«
»Ihr wolltet mich
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