Rage Zorn
gesehen hatte, die er in die Küche geschleppt und dort auf dem Tisch abgeladen hatte, hatte sie ausgerufen: »Du hast noch einen Computer gekauft?«
»Es wird Zeit, dass du deinen eigenen bekommst. Fröhliche Weihnachten.«
»Wir haben Juni.«
»Dann bin ich eben zu früh dran. Oder zu spät.« Er hatte entwaffnend mit den Achseln gezuckt. »Jetzt brauchst du dich nicht mehr nach mir zu richten, wenn du mal E-Mails schreiben oder etwas im Internet kaufen oder was weià ich machen willst.«
»Ich benutze deinen Computer doch nur tagsüber, wenn du in der Praxis bist.«
»Genau das habe ich gemeint. Jetzt kannst du jederzeit online gehen.«
Und du auch.
Offenbar hatte er ihre Gedanken gelesen, denn er hatte erklärt: »Es ist nicht so, wie du glaubst, Toni.« Dabei hatte er die Hände in die Hüften gestemmt und sie mit seinem Hundeblick angesehen. »Ich war heute Morgen zufällig im Computerladen. Da sah ich diese kleine knallrosa Kiste, die so unglaublich kompakt ist und trotzdem alles kann, und ich dachte mir: âºFeminin und effizient. Genau wie meine tolle Frau.â¹ Also habe ich ihn spontan für dich gekauft. Ich dachte, du würdest dich freuen. Anscheinend habe ich mich geirrt.«
»Ich freue mich schon.« Augenblicklich bekam sie ein schlechtes Gewissen. »Das ist sehr aufmerksam von dir, Brad. Vielen Dank.« Dann musterte sie die Kartons mit einem verstohlenen Blick. »Hast du rosa gesagt?«
Und dann mussten beide lachen. Er hatte sie in seine mächtigen Arme geschlossen. Er hatte nach Sonnenschein, Seife und glücklicher Zweisamkeit gerochen. All ihre Ãngste waren zerstoben.
Aber nur vorübergehend. Inzwischen hatten sie sich wieder verdichtet.
Sie hatte seinen Computer heute Abend nicht hochgefahren. Sie hatte zu viel Angst, was sie darauf finden könnte. Falls er mit einem Passwort gesichert wäre, hätte das ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt, und das wollte sie keinesfalls. O Gott, nein, das wollte sie nicht.
Also hatte sie den Türknauf nach bestem Vermögen wieder repariert und war danach ins Bett gegangen, wo sie irgendwann in der Hoffnung eingeschlafen war, dass Brad sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf reiÃen und mit tausend Details über finanzielle Strategien für Familien in ihrer Einkommensklasse bombardieren würde. Es war eine vergebliche Hoffnung gewesen.
»Es war mir wie jeden Abend von Montag bis Freitag ein Vergnügen, Sie unterhalten zu dürfen«, sagte die sexy Stimme im Radio. »Ich bin Paris Gibson, und ich bringe Ihnen klassische Lovesongs.«
Kein Seminar dauerte bis zwei Uhr früh. Genauso wenig wie eine Therapiesitzung bis in die frühen Morgenstunden dauerte. Damit hatte sich Brad herausgeredet, als er letzte Woche die ganze Nacht weggeblieben war.
Da hatte er behauptet, dass ein Mann aus seiner Gruppe eine schwere Zeit durchmachen würde. »Nach dem Treffen wollte er unbedingt mit mir ein Bier trinken gehen, weil er jemand brauchte, bei dem er sich ausheulen konnte. Der Typ hat echt Probleme, Toni. Wow! Du würdest nicht glauben, was er mir alles erzählt hat. Echt krank . Jedenfalls hab ich mir gedacht, dass du das bestimmt verstehen würdest. Du kennst das doch.«
Sie kannte das nur zu gut. Die Lügen. Die Beteuerungen. Die langen, einsamen Abende. Sie wusste genau, wie das lief. Es lief genau so.
2
Das hier machte sie fertig. Richtig fertig.
Inzwischen war er schon ewig weg, und sie hatte keine Ahnung, wann er wiederkommen würde. Ihr gefiel die Scene nicht, sie wollte weg von hier.
Aber ihr waren die Hände gebunden. Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Genau wie die FüÃe. Am schlimmsten aber war das nach Metall schmeckende Isolierband, mit dem er ihr den Mund zugeklebt hatte.
Vier-, vielleicht auch fünfmal war sie in den letzten Wochen mit ihm hier gewesen. Jedes Mal waren sie total ausgepowert und mit einem echt geilen Gefühl wieder weggegangen. Der Ausdruck »sich um den Verstand poppen« kam ihr in den Sinn.
Nie zuvor hatte er sie fesseln wollen oder ihr andere perverse Spielchen vorgeschlagen. Also⦠jedenfalls keine allzu perversen Spielchen. Das hier war was Neues, und ehrlich gesagt hätte sie darauf verzichten können.
Unter anderem hatte sie ihn so interessant gefunden, weil er so erfahren wirkte. Er passte ganz eindeutig nicht in die nomadenhafte Gemeinschaft, die vor
Weitere Kostenlose Bücher