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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song
Autoren: Antje Babendererde
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was Jim angerichtet hatte. Aber nein, du machst genau denselben Fehler wie er.«
    Greg blieb stumm und sein Schweigen riss Hanna aus ihrer Erstarrung. Ihr Blick suchte seinen, aber sie fand keine Antwort, nur eine unbestimmte Angst.
    »Jim ist zurückgekommen, um dir zu sagen, dass er eine weiße Frau heiraten und mit ihr hier leben wird, Vater«, sagte Greg, Verzweiflung und Zorn in der Stimme. »Das hast du nicht ertragen.«
    Matthew Ahousat fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Dieser Narr«, sagte er verächtlich. »Er hat tatsächlich geglaubt, dass er sich über die alten Regeln hinwegsetzen könnte. Ich habe diesem Bastard vertraut und er hat mich hereingelegt.« Der Alte leckte sich über die aufgesprungenen Lippen.
    Das wachsende Entsetzen auf Gregs Gesicht war Hanna nicht entgangen. »Du hast gewusst, wer Jims Vorfahren waren?«, fragte er.
    Matthew schnaubte wütend. »Er hat es mir gesagt. Es gefiel ihm, mich damit zu treffen und zu quälen. Ich hatte mein wertvolles Wissen und Können an einen Nachfahren von Sklaven weitergegeben. Er hat die Ahnen beleidigt.«
    Hanna starrte den alten Ahousat an, als hätte er vollkommen den Verstand verloren. Eine tödliche Stille setzte ein. Und plötzlich begann sie, mit sengender Klarheit zu sehen.
    Jim lebte nicht mehr.
    Sie blickte Greg an und wusste, dass er dasselbe dachte. Es war das, was er geahnt und ihr nicht zu sagen gewagt hatte.
    »Du hast ihn getötet.« Gregs Gesicht zuckte vor Schmerz und einer schrecklichen, verlorenen Trauer.
    »Ich musste es tun«, erwiderte der Meisterschnitzer. Seine unheimlichen Augen ruhten auf Hannas Gesicht. Es summte in ihren Ohren. Ungeheuerlichkeit sang und schrie und tobte.
    Greg legt eine Hand auf ihre Schulter und sie war ihm dankbar dafür.
    Matthew Ahousat verschränkte seine muskulösen Arme vor der Brust. »Jim kam zurück, um ein Haus für sein weißes Flittchen zu bauen. Er wollte sie tatsächlich hierherholen und sich sein Brot weiterhin durch Schnitzen verdienen. Ich schimpfte ihn einen Verräter, weil er einen Wappenpfahl für ein deutsches Völkerkundemuseum geschnitzt hatte. Jim hatte seine Privilegien verwirkt. Aber er lachte nur darüber.
    Ich drohte ihm an, dass ich zu verhindern wüsste, dass er jemals wieder Aufträge bekäme. Da wurde er wütend und erzählte mir die Wahrheit: dass seine Vorfahren Sklaven waren. Und dass er uns alle hereingelegt hatte.«
    »Wie hast du es getan?«, fragte Greg. Sein Griff auf ihrer Schulter wurde fester. Hanna hob den Kopf und sah, wie Gregs Blick über einen schweren verzierten Steinhammer im Regal wanderte. Ein Sklaventöter wie der im Museum. Ihr Atem setzte aus.
    Ahousat lachte. »Willst du über mich richten?«
    »Nein, Vater. Das werden andere tun.«
    »Ich habe nichts Unrechtes getan, mein Sohn. Jim war nur ein Sklave, ein Nichts.«
    »Oh mein Gott.« Hanna musste sich zwingen, Luft zu holen. Die schmerzhafte Vorstellung von Jims Tod wollte nicht in ihren Kopf. Purer Hass war in Matthew Ahousats Gesicht zu lesen und hatte es entstellt.
    »Er war mein Bruder und dein Sohn«, sagte Greg leise, aber mit fester Stimme. »Und in der Kunst des Schnitzens hatte er seinen Meister längst übertroffen. Er war besser als du, Vater, weil er das Schnitzen liebte. Für ihn war es nicht Mittel zum Zweck. Er war der wahre Künstler.«
    »Das ist eine Lüge.« Matthew keuchte. »Er war ein Nichts, niemand macht bessere Pfähle als ich.« Rückwärts taumelte er in die Diele.
    »Jim war der wahre Meister«, brüllte Greg.
    Orientierungslos vor Wut rannte der alte Mann aus dem Haus. Sein wildes Gelächter riss den Himmel auf und Regen strömte über wundes Land.
    Greg hatte Hanna in die Arme genommen. Immer wieder strich er mit der Hand über ihren Rücken, bis das Beben ihres Körpers nachließ.
    Er wusste, dass er es zu Ende bringen musste, noch in dieser Nacht.
    »Es tut mir leid«, stieß Greg hervor. Zum ersten Mal in seinem Leben entschuldigte er sich dafür, dass er ein Mann mit Traditionen war und einer Vergangenheit.
    »Was wirst du jetzt tun?«, fragte sie.
    Greg löste sich von Hanna. »Ihn finden«, antwortete er. Er verließ das Zimmer seines Vaters und sie folgte ihm.
    »Aber wo?«, fragte sie und an ihrer Stimme hörte er, dass sie weinte.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er, doch es war eine Lüge. Greg wusste sehr genau, was er tun musste, um Gewissheit zu erlangen. Er ging nach draußen auf die Veranda und legte den Kopf in den Nacken. Der Regen durchnässte seine
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