Rainer und die Puppenmutter
gesagt habe. Und drück die Angelika nicht so. Du wirst ihr noch die Haare ausreißen.“ „Ich drücke sie ja gar nicht“, widersprach Bällchen.
„Ach, du kannst eben nicht mit Puppen umgehen!“
„Ich spiele auch lieber mit einem Baukasten“, entgegnte Bällchen trotzig. „Mein Bruder hat einen sehr schönen. Da ist alles aus Metall, und man kann Autos davon bauen und Traktoren und...“
Dita schüttelte wild den Kopf.
„Was du nur immer mit deinem Bruder hast. Setz die Puppe dahin — so. Rübchen, du nimmst Loni — das ist die ganz große Puppe, ja — die. Du bist die Klassenerste. Du mußt alles richtig wissen.“
Nun zog sich Dita einen Hocker heran. „Das ist das Pult“, erklärte sie. „Paß auf — der Unterricht geht los. Mach mal eine Klingel, Bällchen!“
Bällchen machte: „Klingelingeling!“
Der Unterricht begann. Dita war die Lehrerin, und Bällchen und Rübchen mußten antworten. Bällchen machte ein mürrisches Gesicht, weil sie den dummen Jungen spielen mußte.
Die Sorgen des Herrn Pilz
Frau Holberg wäre vielleicht nicht so schnell bereit gewesen, sich bei Rainers Vater über den Jungen zu beschweren. Aber sie dachte daran, daß der Rainer ihr selbst schon dumme Streiche gespielt hatte.
Einmal, als sie vom Einkaufen kam, hatte Rainer sich hinter der Haustür versteckt und ihr dann einen Knallfrosch vor die Füße geworfen. Als das scheußlich hüpfende Ding explodierte, hatte Frau Holberg vor Schreck die Einkaufstasche fallen lassen. Von den zehn Eiern, die sie im Konsum gekauft hatte, waren vier kaputt gewesen.
Ein andermal, als Frau Holberg allein zu Hause war, hatte Rainer einen Streifen Heftpflaster über die Wohnungsklingel geklebt und war davongelaufen. Sie hatte ihn, als sie die Tür öffnete, gerade noch auf der Treppe verschwinden sehen.
Und nun war das Maß voll! Was hätte ihrer Dita alles im Keller geschehen können! Wenn sie sich erkältet hätte! Oder wenn sie sich einen Arm gebrochen hätte, als sie von den Kohlen stürzte! Das wäre ja furchtbar gewesen!
Während die drei Kinder noch spielten, ging Frau Holberg in den vierten Stock zu Herrn Pilz.
Als sie nach einer halben Stunde zurückkam, war sie sehr nachdenklich.
„Hast du’s ihm richtig gegeben?“ fragte Dita neugierig. „Hat er den Rainer ordentlich verdroschen?“
„Nein, das hat er nicht“, entgegnete die Mutti. „Der Rainer war noch gar nicht da.“
„Er wird sich wieder auf der Straße rumtreiben“, meinte Dita.
„Das kann schon sein.“ Die Mutter zuckte mit den Schultern. „Herr Pilz war sehr niedergeschlagen. Er arbeitet den ganzen Tag und kann sich nicht viel um seinen Jungen kümmern. Rainers Großmutter kommt zwar jeden Tag für zwei Stunden, aber dann ist Rainer wieder allein.“
„Warum schickt er denn den Rainer nicht in den Kindergarten?“ fragte Bällchen.
„Ja, das habe ich Herrn Pilz auch vorgeschlagen. Aber Rainer will nicht hin — er läuft immer davon, wenn er in den Kindergarten soll..
„Warum hat denn Rainer keine Mutti mehr?“ wollte nun Rübchen wissen.
„Rainers Mutter ist vor anderthalb Jahren gestorben. Damals wohnten Pilzens noch in Erfurt.“
„Oh!“ seufzte Bällchen mitleidig.
„Ja, und nun ist niemand da, der sich um Rainer kümmert“, sagte die Mutter. „Vielleicht versucht ihr es einmal?“
„Ach, der ist ja so frech. Alle Mädchen haben Angst vor ihm.
Und die Kinder aus der vierten Klasse erzählen, daß Rainer da auch nur Dummheiten macht!“ rief Dita.
„Ob wir nicht doch mit ihm spielen sollten?“ wandte Rübchen leise ein. „Wir sagen immer nur zu ihm: geh weg. Oder wir laufen davon.“
„Mit dem kann man nicht spielen! Er will nicht einmal zu den Pionieren kommen!“ schrie Dita ärgerlich. Was die Dünne immer für alberne Vorschläge zu machen hat, dachte sie.
„Wir könnten einmal mit unserer Lehrerin sprechen. Fräulein Jüngling weiß bestimmt einen guten Rat“, schlug Rübchen vor.
„Die wird sich gerade um den Rainer kümmern“, höhnte Dita.
„Vielleicht macht sie es doch“, sagte Bällchen zuversichtlich. „Wir müßten den Rainer mal zu einem Gruppennachmittag einladen. Wir sind in einer Gruppe — die Pioniere aus der dritten und vierten Klasse“, erklärte sie Frau Holberg. „Und unsere Gruppenleiterin ist Fräulein Jüngling...“
„Ach was! Du bist ja nicht gescheit!“ lehnte Dita ab.
Sie ärgerte sich sehr, daß sich die anderen so um Rainer sorgten. Natürlich wäre es gut, wenn
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