RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
Augenblick… keinen.«
»Wer hat diese Entscheidung getroffen?«
»Dem Vater, König Sethos.«
FÜNF
» versprochen
ist versprochen «, erklärte Setaou. »Du bist’s, bist du’s wirklich?«
Setaou hatte sich verändert. Schlecht rasiert, ohne
Perücke, bekleidet mit einem Umhang aus Antilopenhaut mit vielen Taschen, hatte
er kaum mehr Ähnlichkeit mit dem Zögling einer der besten Lehranstalten des
Landes. Hätte einer der Palastwächter ihn nicht erkannt, wäre er ohne viel
Federlesens fortgeschickt worden.
»Was ist dir zugestoßen?«
»Ich tue meinen Dienst und halte mein Wort.«
»Wohin willst du mich entführen?«
»Das wirst du schon sehen… Es sei denn, aus Angst
würdest du wortbrüchig.«
Ramses warf ihm einen flammenden Blick zu.
»Gehen wir.«
Auf Eseln ritten sie durch die Stadt, verließen sie
gen Süden, dann ging es einen Kanal entlang und bei einer Gabelung in Richtung
Wüste zu einer ehemaligen Nekropole. Zum erstenmal verließ Ramses das Tal und
betrat eine unheimliche Welt, wo das Gesetz der Menschen keine Geltung mehr
besaß.
»Heute nacht ist Vollmond!« sagte Setaou mit
begierigem Blick. »Alle Schlangen werden sich einfinden.«
Die Esel folgten einer Spur, die Ramses niemals
entdeckt hätte.
Sicheren Schrittes und zügig drangen sie vor in das verlassene
Gräberfeld.
In der Ferne das Blau des Nils und das Grün der Äcker,
hier nichts als unfruchtbarer Sandboden, Stille und Wind. Ramses begriff und
spürte, warum die Tempelhüter die Wüste »die rote Erde Seths« nannten. Seth,
der Gott der Gewitter und des kosmischen Feuers, Seth hatte den Boden verbrannt
in diesen einsamen Weiten, aber auch die Menschen befreit von Zeit und Verfall.
Ihm war es zu danken, daß sie Stätten für die Ewigkeit errichten konnten, in
denen die Toten nicht verwesten.
Ramses atmete die belebende Luft ein.
Der Pharao war Herr über diese rote Erde wie auch über
die fruchtbare und schlammige schwarze Erde, die Ägypten Nahrung im Überfluß
spendete. Er dürfte die Geheimnisse kennen, ihre Kraft nutzen und ihre Mächte
im Zaum halten.
»Wenn du es wünschst, kannst du noch umkehren.«
»Möge es schnell Nacht werden.«
Eine Schlange mit rötlichem Rücken und gelbem Bauch
zog an Ramses vorbei und verkroch sich zwischen zwei Steinen.
»Ungefährlich«, sagte Setaou, »von solchen wimmelt es
in der Nähe verlassener Bauwerke. Tagsüber verziehen sie sich für gewöhnlich
ins Innere der Gebäude. Komm mit.«
Die beiden jungen Männer stiegen einen steilen Abhang
hinab, der zu einer verfallenen Grabstätte führte. Ramses zögerte einzutreten.
»Da drin ist keine Mumie mehr. Der Raum ist kühl und
trocken, du wirst sehen. Kein Dämon wird dich angreifen.«
Setaou entzündete eine Öllampe.
Ramses erblickte eine Art Grotte, deren Decke und
Wände grob behauen waren. Vielleicht hatte hier nie jemand gelegen. Der
Schlangenbeschwörer hatte mehrere niedrige Tischchen aufgestellt, auf denen ein
Schleifstein, ein Bartschaber aus Bronze, ein hölzerner Kamm, ein
Flaschenkürbis, hölzerne Täfelchen, eine Schreibpalette und eine Reihe Näpfe
mit Salben und Balsam standen. In Tonkrügen bewahrte er die zur Arzneibereitung
notwendigen Ingredienzien auf: Erdharz, Kupferfeilicht, Bleioxyd, roten Ocker,
Alaun, Tonerde und zahlreiche Pflanzen, darunter Zaunrübe, Steinklee, Rizinus
und Baldrianwurzel.
Der Tag neigte sich, die Sonne färbte sich orangerot,
die Wüste, eine in Gold getauchte Ebene, wickelte hier und da Sandschärpen,
wenn der Wind über die Dünen strich.
»Entkleide dich«, befahl Setaou.
Als der Prinz nackt vor ihm stand, rieb der Freund ihn
mit einer Mixtur aus Zwiebelsud ein.
»Die Schlangen scheuen diesen Geruch«, erklärte er.
»Welchen Posten hat man dir eigentlich übertragen?«
»Keinen.«
»Ein Prinz als Müßiggänger? Das hat dir wieder dein
Erzieher eingebrockt!«
»Nein, Befehl meines Vaters.«
»Also hast du die Probe mit dem Stier wohl doch nicht
bestanden.«
Ramses wollte es nicht wahrhaben, dabei erklärte es
seine Abschiebung.
»Vergiß den Hof mit all den Intrigen und dunklen
Machenschaften. Komm zu mir, arbeite mit mir. Die Schlangen sind gefährliche
Feinde, aber sie lügen nicht.«
Ramses war verwirrt. Warum hatte sein Vater ihm nicht
die Wahrheit gesagt? So hatte er ihn bloßgestellt, ohne ihm Gelegenheit zu
geben, seine Tauglichkeit zu beweisen.
»Jetzt mußt du wirklich eine Probe bestehen. Um
unverletzlich zu werden, mußt du dieses
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