RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
Hausordnung derartig zu schmähen. Obwohl sich alles in ihm
dagegen sträubte, war Sary von den anderen Lehrern beauftragt worden, die fünf
Schuldigen vorzuladen und schwere Strafen über sie zu verhängen. Die
Sommerferien standen kurz bevor, und diese Aufgabe schien ihm um so sinnloser,
als allen fünf jungen Männern in Anerkennung ihrer Bemühungen und Fähigkeiten
bereits Ämter übertragen worden waren und ihnen alle Wege offenstanden.
Ramses spielte mit seinem Hund, der sich schnell daran
gewöhnt hatte, sein Futter vom Tisch seines Herrn zu bekommen. Wie ein
Verrückter rannte er hinter dem Stoffball her, den der Prinz für ihn warf.
Würde dieses Spiel denn nie zu Ende sein, fragte sich der Erzieher, denn sein
königlicher Zögling duldete es nicht, daß man die Freuden seines Tieres
unterbrach, da der Vorbesitzer es ohnehin schon sträflich vernachlässigt hatte.
Erschöpft hechelnd, schlappte Wächter jetzt endlich
ein wenig Wasser aus einer irdenen Schale.
»Dein Verhalten, Ramses, verdient einen Tadel.«
»Aus welchem Grunde?«
»Dieser üble Ausbruch…«
Ȇbertreib nicht, Sary. Wir waren nicht einmal
trunken.«
»Dieser Ausbruch war umso dümmer, als deine Mitschüler
ihr Studienziel bereits erreicht hatten.«
Ramses packte den Erzieher bei den Schultern.
»Du bringst also gute Nachricht! Schnell, erzähl!«
»Die Strafen…«
»Darüber später! Was ist mit Moses?«
»Beigeordneter Verwalter des großen Harim Mer-Our in
Fayum. Eine recht schwere Verantwortung für so junge Schultern.«
»Er wird die in ihren Vorrechten eingezwängten Beamten
ein wenig anspornen. Und Ameni?«
»Zieht ein ins Gebäude der Palastschreiber.«
»Großartig! Setaou?«
»Er wird seine Bestallung als Heilkundiger und
Schlangenbändiger erhalten und Gift zur Herstellung von Arzneien sammeln.
Sofern nicht Bestrafungen…«
»Und Acha?«
»Sobald er seine Kenntnisse des Libyschen, des
Syrischen und Hethitischen vervollkommnet haben wird, soll er nach Byblos gehen
und dort seinen ersten Posten als Dolmetscher erhalten. Aber all diese
Ernennungen sind zurückgestellt worden!«
»Von wem?«
»Vom Vorsteher des Kap, den Lehrern und mir. Euer
Benehmen kann nicht geduldet werden.«
Ramses überlegte.
Würde die Angelegenheit hochgespielt werden, käme sie
dem Wesir und schließlich Sethos zu Ohren. In der Tat ein schönes Mittel, den
königlichen Zorn heraufzubeschwören!
»Muß man nicht in allen Dingen Gerechtigkeit walten
lassen, Sary?«
»Gewiß.«
»Dann strafen wir den einzig Schuldigen: mich.«
»Aber…«
»Ich habe dieses Treffen herbeigeführt, den Ort
bestimmt und meine Kameraden gezwungen, mir zu gehorchen. Hätte ich einen
anderen Namen getragen, hätten sie sich geweigert.«
»Möglich, aber…«
»Verkünde ihnen die gute Nachricht, und häufe auf mein
Haupt die vorgesehenen Strafen. Und da diese Angelegenheit nun geregelt ist,
laß mich jetzt diesem armen Hund ein wenig Freude bereiten.«
Sary dankte den Göttern. Dank Ramses konnte er diese
heikle Situation bestens bereinigen. Der Prinz, dem aus den Reihen der
Lehrmeister wenig Sympathie entgegenschlug, wurde im Kap unter Hausarrest
gestellt. Er durfte nicht am Fest der großen Überschwemmung teilnehmen, mußte
sich statt dessen in die Rechenkunst und in die Literatur vertiefen und hatte
sich auch jedes Besuchs der Stallungen zu enthalten. Beim Neujahrsfest im Juli
würde somit der ältere Bruder neben Sethos stehen, wenn der Pharao die
Wiedergeburt des Wassers zelebrierte. Wie unbedeutend Ramses war, das würde
sein Fehlen nur noch unterstreichen.
Bevor er seine Strafe antrat, die nur der goldgelbe
Hund etwas auflockern würde, durfte Ramses seinen Mitschülern noch Lebewohl
sagen.
Ameni war herzlich und zuversichtlich. Da er in
Memphis, ganzin der Nähe seines
Freundes blieb, würde er jeden Tag an Ramses denken und sich schon etwas
einfallen lassen, um ihm ein paar Leckereien zuzustecken. Und wenn er erst
wieder frei wäre, konnte die Zukunft nur rosig aussehen.
Moses umarmte Ramses nur ganz fest. Daß man ihn ins
ferne Mer-Our schickte, erschien ihm wie eine Prüfung, der er sich, so gut er
es vermochte, unterziehen wollte. Träume suchten ihn zwar immer noch heim, doch
davon wollte er erst sprechen, wenn sein Freund wieder aus seinem Käfig
freikäme.
Acha war kühl und abweisend. Er dankte dem Prinzen für
sein Verhalten und versprach, es ihm zu vergelten, wenn sich die Gelegenheit
bieten sollte. Dies allerdings bezweifelte
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