Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Staatsgeschäfte kümmert?»
«Er ist so klug, daß er es verstehen wird, sich anzupassen.»
«Was hältst du von Merenptah?»
«Er ist ganz anders als sein Bruder, läßt aber bereits erkennen, daß er einmal ein außergewöhnlicher Mann wird.»
«Deine Tochter, Merit-Amun, ist eine wundervolle Frau geworden.»
«Sie verwirklicht meinen Kindertraum: in einem Tempel leben und dort zu Ehren der Götter musizieren.»
«Dich verehrt das ganze Volk, Nefertari. Seine Liebe zu dir ist so groß wie die Liebe, die du ihm gibst.»
«Wie sehr du dich verändert hast, Iset!»
«Ich habe mich mit den Dingen abgefunden, die Dämonen der Begierde sind aus meiner Seele gewichen. Ich habe mit mir Frieden geschlossen. Und wenn du wüßtest, wie sehr ich dich bewundere für das, was du bist, für die Pflichten, die du erfüllst…»
«Dank deiner Hilfe wird das Fehlen Tujas leichter zu ertragen sein. Du bist doch jetzt von den Sorgen um die Erziehung der Kinder befreit, würdest du es auf dich nehmen, an meiner Seite zu arbeiten?»
«Dessen bin ich nicht würdig…»
«Laß mich das beurteilen.»
«Majestät…»
Nefertari küßte Iset die Schöne auf die Stirn. Es war Sommer, und Ägypten ließ es sich wohl ergehen.
Ameni nahm die von Setaou unterzeichnete Botschaft in Empfang. Vor Aufregung außer Atem geraten, ließ der Oberste Schreiber alles liegen und stehen und machte sich auf die Suche nach Ramses, den er im großen Wasserbecken neben dem Palast fand. Wie jeden Tag während der heißen Jahreszeit schwamm der König mindestens eine halbe Stunde.
«Majestät, ein Sendschreiben aus Nubien!»
Der Herrscher kam an den Rand des Beckens. Ameni kniete nieder und reichte ihm den Papyrus.
Er enthielt nur wenige Worte, diejenigen, die Ramses erhofft hatte.
SECHZIG
AM BUG DES KÖNIGLICHEN Schiffes prangte ein Kopf der Göttin Hathor aus vergoldetem Holz, der zwischen seinen Hörnern die Sonnenscheibe trug. Die Herrscherin über die Gestirne war auch die Herrin der Schiffahrt. Ihre Wachsamkeit bot die Gewähr für eine friedliche Reise nach Abu Simbel.
Abu Simbel, wo die zwei Tempel, die den Bund zwischen Ramses und Nefertari rühmen sollten, nun vollendet waren.
Setaous Botschaft war unmißverständlich, und der Schlangenkundige pflegte nicht zu prahlen. In der Mitte des Schiffes erhob sich eine gut durchlüftete Kajüte mit gewölbtem Dach, das auf kleinen Säulen mit Kapitellen ruhte, von denen die zwei hinteren wie Papyrus und die vorderen wie Lotos geformt waren. Träumerisch genoß die Königin diese Reise gleich Naschwerk.
Nefertari verbarg ihre Müdigkeit, um den König nicht zu beunruhigen. Sie stand auf und stellte sich zu ihm unter das weiße Segel. Der riesige Löwe lag auf seiner Flanke und döste vor sich hin. Dicht neben ihm hatte sich Wächter, der gelbe Hund, niedergelassen und war in tiefen, erholsamen Schlaf gesunken.
«Abu Simbel… Hat jemals ein anderer König einer Königin ein solches Geschenk gemacht?»
«War jemals ein anderer König vom Schicksal so begünstigt, Nefertari zur Gemahlin zu haben?»
«Das ist zuviel Glück, Ramses… Zuweilen beschleicht mich Furcht.»
«Wir müssen dieses Glück mit unserem Volk teilen, mit ganz Ägypten und es an die Generationen weitergeben, die uns nachfolgen werden. Deshalb wollte ich, daß das Königspaar für alle Zeit im Stein von Abu Simbel gegenwärtig sei, nicht du und ich, Nefertari, sondern der Pharao und die Große Königsgemahlin. Wir stellen nur ihre irdische und vergängliche Verkörperung dar.»
Nefertari schmiegte sich an Ramses und betrachtete das wilde, herrliche Nubien.
Vor ihnen tauchte das Sandsteingebirge auf, das Reich der Göttin Hathor, das im Westen eine Biegung des Flusses einrahmte. Eine mit hellem Sand gefüllte Mulde trennte zwei Felsvorsprünge, die nach der Hand des Baumeisters und der Bildhauer riefen. Und diese Hand war tätig geworden, hatte das wie Verliebte anmutende Felsenpaar in zwei tief in ihr Inneres getriebene Tempel verwandelt, deren mächtige und zugleich anmutige Fassaden die Königin verblüfften. Vor dem südlichen Heiligtum ragten vier Kolossalstatuen von Ramses auf, vierzig Ellen hoch, die ihn in sitzender Haltung darstellten, und vor dem nördlichen Tempel rahmten Kolossalstatuen des stehenden oder schreitenden Pharaos eine zwanzig Ellen hohe Nefertari ein.
Fortan war Abu Simbel nicht mehr nur eine schlichte Landmarke für die Schiffer, sondern eine vom Feuer des Geistes verklärte Stätte,
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