Ranch des Schicksals (3-teilige Serie)
ihn gesehen habe. Trace trifft ihn ab und zu.“
„Immerhin weißt du, dass er gesund und wohlauf ist.“
„Wenn nicht, kann er sich jederzeit an mich wenden.“ Logan warf den Stock ins Feuer. „Wende dich nie von deiner Familie ab“, sagte er. „Das Band zwischen Familienmitgliedern ist dicker als Blut. Wenn man versucht, es zu zerstören, kann man sich daran verheddern und ersticken.“
Mary schwieg einen Moment. „Ich bin nicht diejenige, die das Band in unserer Familie zerstört“, sagte sie schließlich leise.
„Dann wird dir auch nichts passieren.“ Eine plötzliche Brise wehte ihm den Rauch ins Gesicht. Hustend rutschte er dichter an Mary heran. „Wenn du in Zukunft mal wieder das Gefühl bekommst, ersticken zu müssen, dann atme erst mal tief durch, fahre hier heraus und geh zu deinem Pferd.“
Als Mary den Blick über das Lager schweifen ließ, blieb er an dem in den Himmel ragenden Tipi hängen. Unwillkürlich fragte sie sich, wann Logan sie wohl darin einladen würde. „Bist du eigentlich noch verheiratet?“, fragte sie spontan. „Zumindest noch auf dem Papier?“
„Nein, weder auf dem Papier noch sonst. Man kann einen Knoten nicht mit nur einem Band schnüren.“
„Na ja, das geht schon, aber …“
„Man schafft damit keine Verbindung“, ergänzte Logan. Er beugte ein Bein und legte den Unterarm aufs Knie.
„Sieh mal!“ Mary nickte in Richtung Roundpen. Der Mustang war inzwischen dichter an sie herangekommen und beobachtete sie. „Er hört uns zu.“
„Fühlt sich auf jeden Fall so an.“ Logan vermied den direkten Blickkontakt mit dem Pferd. „Da er nicht von uns weg kann und zu klug ist, um sich bei einem Fluchtversuch zu verletzen, versucht er jetzt, die Puzzleteile zusammenzufügen. Wir essen kein Gras, sind aber auch nicht scharf auf Pferdefleisch. Wir sind nicht laut. Wir riechen nicht allzu gefährlich. Vielleicht wurden wir von unserer Herde getrennt und stellen jetzt eine neue zusammen?“ Logan lachte. „Wie sollen wir uns eigentlich nennen? Mary und die verkehrten Krieger?“
„Klingt gar nicht so übel.“
Logan grinste. „Bei den Indianern ist ein Heyoka eine Art Clown, der alles verkehrt herum macht – das Gegenteil von dem, was die anderen tun. Wir Indianer sind früher auch in Herden herumgezogen, und es war immer ein Heyoka dabei.“
„Zur Unterhaltung?“
„Nicht nur. Er bringt Menschen zwar zum Lachen, aber in Wirklichkeit sorgt er mit seinem konträren Verhalten für eine Art Gleichgewicht. Er spielt eine Rolle. So wie wir alle.“ Logan zeigte auf den Roundpen. „Unser Freund hier versteht das. Vermutlich sogar besser als wir.“
„Hört er uns deshalb zu, um unsere Rolle einordnen zu können?“
„Vielleicht, auch wenn er natürlich keine Worte versteht. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass Pferde Gedanken hören können.“
„Das tun Hunde auch, das weiß ich ganz genau. Sie lesen die Gedanken der Menschen.“
„Bei Tieren geht es noch tiefer als das“, erklärte Logan. „Über den Teil des Bewusstseins hinaus, der die Worte bildet. Pferde können keine Gedanken lesen, sondern sie erspüren.“
„Meinst du über eine Art Energie oder Schwingungen?“
„Ja, vielleicht. Pferde sind Beutetiere. Sie müssen ihrer Umgebung gegenüber sehr aufmerksam sein, selbst winzigste Veränderungen spüren. Und scharfe Sinne lügen nicht. Sie erfassen alles. Worte sind da völlig unzureichend. Sobald wir etwas in Worte fassen, geht etwas verloren. Oder man fügt unfreiwillig etwas hinzu …“
„Du benutzt selbst gerade Worte. Geht dabei etwas verloren, oder fügst du etwas hinzu?“
„Keine Ahnung. Das war nur so ein Gedanke.“ Logan lachte wieder. „Normalerweise rede ich nie so viel.“
„Ich auch nicht. Aber findest du nicht, dass Sprache einem einen gewissen Halt gibt? Auf jeden Fall kann man das, was man sagt, kontrollieren. Alles andere hingegen …Vielleicht ist es ganz gut, dass die meisten Menschen kein Gespür für das haben, was Tiere so alles erfassen.“
Logan rutschte noch ein Stück näher an sie heran. Er legte ihr einen Finger unters Kinn, drehte ihr Gesicht zu sich herum und küsste sie zärtlich. „Mary, Mary“, flüsterte er.
Sie schloss die Augen und atmete den würzigen Duft von Salbei und Holzfeuer ein. „Ich habe gespürt, dass das passieren würde“, sagte sie leise.
„Und ich, dass du es wolltest.“
„Ich will …“
Logan schnitt ihr das Wort ab, indem er den Arm um ihren Nacken schlang
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