Rangun
Inders in den Rippen haben würde.«
»Du bist also nicht in Khandahoor aufgewachsen«, sagte sie nachdenklich. »Du mußt fünfzehn gewesen sein, als mit dem Bau begonnen wurde.«
»Vierzehn. Ich habe fast meine ganze Jugend in Indien verbracht und hier nicht einmal ein Jahr.«
»Dann muß doch eher Indien als Birma dein Zuhause sein.«
»Du hast viele Jahre in Boston gelebt. Fühlst du dich der Stadt besonders verbunden?«
Sie lächelte ironisch. »Wo ist dann das Zuhause?«
»Wie du einmal sagtest«, erwiderte er, »ich bin ein Prinz des Nada.«
Oder vielleicht Hades, dachte sie, der nach seiner Persephone sucht.
...
KAPITEL 10
Die Jagd
Und dort soll'n für dich sein
all jene lieblich Wonnen,
die dunkler Gedanke erringen kann
JOHN KEATS
Die Hitze der Trockenheit nahm zu und damit auch Lysistratas Anspannung. Der Bungalow wurde nachts beobachtet, aber nicht von Ram, denn als sie einmal mißtrauisch rief, raschelten die Bougainvillea nahe dem See, als sei jemand rasch davongelaufen. Kalisha blieb im Purdah, und Ram hätte sich nicht versteckt. Möglicherweise war seine Warnung wegen Pandit Singh berechtigt gewesen. Obwohl der alte Mann ihr jetzt auswich, grinste er sie manchmal anzüglich an. Er mußte sie für so schamlos wie die tote Rani halten. Ram ließ sie ebenfalls allein, da er zu merken schien, daß sie sich ihm verschloß. Doch wie er vorausgesagt hatte, dachte sie nachts oft an ihn. Gedanken an Hindu-Erotika faszinierten und verhöhnten sie. In manchen Nächten war ihr Körper wie ein reifender Granatapfel, bei der die Beengtheit des Fleisches unerträglich schien.
Nach einer solchen ruhelosen Nacht wanderte sie im Nebel nackt zum Seeufer. Sie schwamm durch den Nebel und die Hyazinthen. Sie flocht Blumen in ihr Haar und streifte sie über ihre Gliedmaßen, bis ihr Körper Teil des Wassers und des grünen Lebens zu sein schien. Sie drehte sich auf den Rücken und betastete sich im sanften Strom treibend: ihre Brüste, ihre Vulva, so wie Ram es in der Nacht des Tigers getan hatte. Ihre heftigen Gefühle dabei erschreckten sie.
Sie ging aus dem Wasser, warf sich auf den hellen Sandstrand, schloß die Augen und ließ sich von der Sonne trocknen. Doch als ob der letzte Rest ihres Willens im See verhext worden sei, suchten, streiften und forschten ihre Fingerspitzen, fanden seidige Feuchtigkeit, eine köstliche Reife. Feuchtklebende Sandkörnchen streiften ihre Haut, als ihre Hand ihre Brüste streichelte und dann hob und sie sich ihrem Verlangen hingab. Sich Ram anbot, dessen feuchtwimprige dunkle Augen in die ihren brannten, als sie sie träge öffnete. Erschreckt fuhr sie auf. Er war nackt, tropfte noch vom Schwimmen. Adam mochte einst so Eva angesehen haben, die verbotene Frucht noch auf den Lippen, mit flammenden Lenden und die ewige Verdammnis völlig vergessend. Als sie aufsprang und davonrannte, hallte triumphierendes Lachen über das Wasser.
Mit einem leichten Regen kam kurzes Zwielicht. Lysistrata schaute auf den verschwommenen Vorhang, als sie auf die Veranda trat. Sie lauschte dem Vogelgezwitscher und dem Palaver der Affen. Lauschte. Denn heute nacht würde Ram sie nehmen. Er würde nicht mehr spielen. Raffiniert hatte er jedesmal die Zügel gelockert, wenn sie daran zog, um ihr eine Illusion von Freiheit zu geben, hatte aber die ganze Zeit mit ihr gespielt. Verlockt. Gehöhnt. Was für ein verschlagener Verführer er doch war! Und wie rücksichtslos er sie demütigen konnte. Diese schreckliche Nacht auf der Rani hatte Spuren hinterlassen, die sie nicht vergessen konnte. Heute nacht würde der Strick festgezogen werden, und sie konnte den Gedanken an seine Herrschaft nicht ertragen. Sie war gefangen. .. wenn sie ihn nicht tötete. Dann würde sie wahrscheinlich von seinen Söldnern niedergemetzelt werden. Als sie das erkannte, empfand sie eine gewisse Resignation, eine benommene Ruhe.
Das Vogelgezwitscher erstarb mit dem Regen, und Lysistrata legte die Messerscheide um. Ihre Wolljacke, das dunkle Pasoh und die Lederstiefel würden im Licht der schmalen Mondsichel nicht zu sehen sein. Sie schlich durch die tropfenden Bäume am See. Hinter dem Palmenhain auf der anderen Seite war undeutlich eine weißlackierte Blende zu erkennen, die im Regen glänzte. Sie schlich auf das kleine Gebäude zu. Die Fensterblende war nach außen gestellt, damit die regenkühle Brise hereinkam. Der Raum dahinter war dunkel. Sie schlich um die Veranda. Das Haus war leer. Er mußte bereits zum
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