Rangun
frißt sie«, zirpte San-hla, die ebenfalls eine unerwartete Beherrschung des Englischen demonstrierte. »Er ist der größte Tuk-too auf der Loo Gow Street.«
»Er hat auch eine Frau«, fügte Sein kichernd hinzu.
»Auch Kinder?« fragte Lysistrata argwöhnisch.
»Ich habe keine gesehen«, erwiderte Ma Saw. »Wenn er welche hat, schickt er sie fort. In einem Haus ist immer nur ein Paar Tuk-Toos.«
»Ah«, sagte Lysistrata vage. Hauskatzen. Sie hatte ein Paar schuppiger Hauskatzen.
Als Lysistrata ihr Haar für die Party des Kommissars an diesem Abend bürstete, war sie froh, daß sie sich keine Illusionen wegen ihres Aussehens machte. Illusionen brachten nichts als Enttäuschungen, vor allem, was Männer anbelangte. Außer Frank hatten nur wenige Männer sie als Frau behandelt, und dafür war sie sehr dankbar. Frank Wyatt. Ihr Cousin. Ihre Liebe. Ihr Lügner. Er hatte soviel genommen und nur Elend gegeben. Sie spürte noch den Schmerz in ihrer Brust, wenn sie sich daran erinnerte. Sie hatte den Schmerz zu einem Panzer gehämmert. Abgesehen von der zu erwartenden Schwäche, freute sie sich auf das Alter. Von einer alten Frau erwartete niemand etwas. Ihre Haut mochte makellos sein, aber kein Mann würde sie je liebkosen, und schließlich würde sie zu einem Teil ihrer Rüstung verrunzeln.
Ihr Haar war mehr als leidlich, ihre hübschen Augen scharf und wachsam. »Haar und Augen meiner Schwester Eden«, pflegte ihre Mutter zu sagen. Doch Lysistrata hielt die Erinnerung ihrer Mutter mehr für Zärtlichkeit denn für Sachlichkeit. Eden, die Schönheit von Savannah, war jung gestorben; und ihre Mutter auch.
Sie fühlte, daß ein tiefer, undefinierbarer Teil von ihr, wahrscheinlich ihre Fraulichkeit, durch Frank getötet worden war; sie wollte keine Wiederauferstehung. Und nach vergangenen Erfahrungen von Partys zu urteilen, würde sie heute nacht nicht in Gefahr sein, dachte sie grimmig, als sie das Haar teilte und dann zu einem festen Knoten in ihrem Nacken aufsteckte. Durch die Feuchtigkeit waren ihre sonst flachen Zöpfe widerspenstig, aber sie würden durch Schweiß an ihre Stirn geklebt sein, wenn sie zum Essen geführt wurde.
Sie zog das alte, graue Seidenkleid ihrer Mutter an und gab dann einen Tupfer Parfüm auf ihre Handgelenke, um den feinen Mottengeruch zu überdecken. Das Oberteil war zu eng, da ihre Mutter schlanker gewesen war, und für Lysistratas Geschmack zu knapp geschnitten, doch ihr schwarzer Merinoschal würde das Problem lösen. Der für Vorkriegskrinolinen geschnittene Rock war ähnlich einer Kaskade im Worth-Stil an der Rückseite gerafft und angesteckt. Sie hatte sich nicht daran gestört, wenn die Damen, denen sie bei den wenigen gesellschaftlichen Anlässen in Boston begegnete, auf schleifende Röcke hingewiesen und sie mit langweiligen Lektionen über Mode belästigt hatten, ihre Näherinnen angeboten hatten oder sogar, ihr Nähunterricht zu geben.
Um Schmuck kümmerte sie sich nicht. Nachdem sie die Brosche den Ruderern gegeben hatte, ein Abschiedsgeschenk von Tante Agatha, besaß sie keinen. Sie warf den Schal um ihre Schultern und ging dann zu ihrem Vater hinunter.
Dr. Lighter, ebenfalls einer der Gäste des Kommissars, nahm sie in seiner Kutsche mit. Das hielt Lysistrata für richtig, da sie es haßte, auch nur einen Teil ihres bescheidenen Einkommens für Annehmlichkeiten auszugeben.
»Sie haben hoffentlich nichts dagegen«, erzählte er ihnen, als Herriott Lysistrata in die Kutsche half, »daß ich kurz am Hafen halte. Ich erwarte heute eine Medikamentenlieferung.«
Der Botengang wurde schnell erledigt. Während die Kutsche wartete, erledigte Dr. Lighter die notwendigen Transaktionen in einem Reedereibüro am Ostende der Docks. Er kehrte von zwei bewaffneten chinesischen Kulis begleitet zurück, die vier Holzkisten trugen, auf die rote chinesische Chop-Zeichen gestempelt waren. Er ließ sie auf den Boden der Kutsche stellen, wodurch es sehr eng wurde, nachdem er Platz genommen hatte. Die beiden Kulis stiegen oben auf.
»Entschuldigen Sie die Verzögerung«, sagte er, als die Kutsche über den Kai rumpelte. Er schlug auf die obere Kiste und lächelte Herriott an. »Das ist das Opium, auf das wir gewartet haben, John.«
»Das ist aber viel«, stellte Lysistrata fest.
»Ja, Richard Harley weiß, wie man bekommt, was man braucht. Und es gibt kein schnelleres Schiff als seine Rani.«
»Die Rani?« wiederholte sie. »Wir sahen sie aus dem Hafen auslaufen, als wir mit der Mayfield
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