Rangun
gelernt, Ma'am. Ich bin besser beim Poker.«
»Poker?« Lady Mary schwieg kurz. »Ich fürchte, ich...«
»Das ist ein amerikanisches Spiel, Mary«, murmelte eine auffallende Brünette, die hinter Lady Marys Stuhl stand. Sie war als Mrs. Evelyn Chilton vorgestellt worden. Ihr schönes Gesicht war bis auf ein neugieriges Lächeln, das wohl Lysistratas Antwort verursacht hatte, gelassen. Ihr Kleid war aus bordeauxroter Seide von Worth. Passendes Geschmeide aus Diamanten, Smaragden und Opalen mit einer taubengrauen, barocken Perle hing zwischen wundervollen Brüsten. Ihre Figur war prächtig, ihre veilchenblauen Augen von dichten schwarzen Wimpern gesäumt, die mit Mascara verstärkt waren, wie Lysistrata annahm.
»In der Tat?« erwiderte Lady Mary. »Exzellent. Sie müssen Ihr amerikanisches Spiel demonstrieren, Miß Herriott. Die Abwechslung wird willkommen sein. Also dann diesen Donnerstag um vier zum Tee?« Als sie einen erschreckten Ausdruck in Lysistratas Augen bemerkte, fügte sie schlau hinzu: »Lady Pan-byu vom Königlichen Hof in Mandalay wird aus ihrer Übersetzung >Der Glaspalast< Chroniken vorlesen. Es ist ein feierliches Stück, das Abendländer nicht oft erleben, und Lady Pan-byu gilt als bemerkenswerte Gelehrte.«
Sie hatte Lysistratas schwache Stelle richtig erkannt.
»Ich werde sehr gerne kommen, Ma'am.« Lysistrata neigte leicht den Kopf vor den Bartlys, nahm dann den Arm ihres Vaters und ging zwischen den beiden Ärzten auf das Haus zu.
»Das ist für Ihren Geschmack ein schlampiger Vogel, Mary«, kommentierte Evelyn Chilton, deren Tonfall jetzt amüsiert klang, »und sie ist grämlich. Warum befassen Sie sich mit ihr?«
»Ich habe die Absicht, diese schäbigen Federn zu rupfen und zu sehen, wie sie wirklich ist.« Ein rätselhaftes Lächeln huschte über ihr aristokratisches Gesicht. »Außerdem habe ich nicht mehr gepokert, seit Tony und ich in den Rockys mit Lord Gore jagten.«
Zwei scharlachrot gekleidete Sikhs mit weißen Wickelgamaschen flankierten die massiven Teaktüren des Empfangzimmers, das im Licht sechs birmanischer Bergkristalllüster funkelte. Etwa achtzig weitere Gäste hielten sich in dem von lackierten Coromandel-Paravents gesäumten Raum auf. Vor den Paravents standen Sofas, die mit kostbarem indischen Brokat und Leopardenfell gepolstert waren. Das Fell eines Bengaltigers streckte sich vor dem Porphyrkamin, der nie benutzt worden sein konnte. Die Köpfe eines Rhinozeros, verschiedener Hirsche und anderen Großwildes hingen zwischen Ölgemälden, die die Großtaten der britischen Armee bei der Unterwerfung Indiens zeigten. Darunter schwenkten Madrassen gewebte Pfauenfeder-Punkahs in dem vergeblichen Versuch, die Luft zu bewegen, die durch filigrane Elfenbeinfenster drang. Zwei weitere Sikhs bewachten die Tür des Speiseraumes, die von riesigen Elefantenstoßzähnen, auf Ebenholz und Gold montiert, gerahmt war. Die Briten lebten gut von dem Land.
Während Lighter die Herriotts in den Salon begleitete, gab er ständig Kommentare zu den Gästen ab. »Dieser Kaschmiri in seinem Pfauenfedermantel ist hier, um über den Chinahandel zu beraten, wette ich. Er heißt Gopal Prasad. Er ist ein schmieriger Typ, vor allem gegenüber Frauen.« Seit dem Zwischenfall mit der Zigarre sprach Lighter vor Lysistrata unverblümt. »Dieser backenbärtige Gentleman ist General Nigel Chilton. Seine Frau haben Sie bereits kennengelernt.«
Lysistrata war vom Alter des Mannes überrascht. Der wohlbeleibte, wichtigtuerisch dreinblickende kleine Mann mit Koteletten war mindestens dreißig Jahre älter als seine Frau. Evelyn Chilton mochte zu Possen neigen, aber romantisch war sie nicht.
»Ah, da ist der Bursche, den ich Ihnen schilderte, John«, bemerkte Lighter. »Richard Harley. Wenn Sie mich entschuldigen. Ich schulde ihm Dank für die letzte Opiumlieferung.« Er drängte sich durch die Menge davon. Der Mann lehnte lässig an einer Mahagonisäule, wo er sich mit einem, in grüne Seide gekleideten, Chinesen unterhielt.
Wenn General Chilton schon eine Überraschung war, dann Richard Harley noch mehr. Lysistrata hatte einen mondgesichtigen, weichleibigen, mittelgroßen Inder mit der grauen Blässe und den seltsam gefärbten Augen eines asiatischen Mischlings erwartet. Man hätte Harley, der größer als Lord Anthony war, leicht für einen Europäer halten können. Seine Hautfarbe war zwar dunkel, aber seine Gesichtszüge scharf, und er trug seinen schwarzen Savile Row, als sei er darin geboren. Sie
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