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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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hätte ihn für einen Spanier oder Italiener gehalten. Dennoch war etwas undefinierbar anders an ihm. Kein Europäer hatte dieses leichte, subtile Lächeln, so flüssige Bewegungen. Selbst auf die voreingenommene Lysistrata wirkte er außergewöhnlich attraktiv.
    Als Lighter zu ihm kam, schaute Richard Harley automatisch in die Richtung, aus der der Doktor gekommen war. Obsidianschwarze Augen schauten direkt in die ihren. Überrascht über seinen offen forschenden Blick, errötete sie heftig. Sie wandte ihr Gesicht ab und erkannte zu spät, daß ihre Reaktion ihren faux pas noch schlimmer machte. Tief Atem holend drehte sie sich wieder zu dem Mann um. Und sah, daß er amüsiert war. Ihre Verlegenheit wich Ärger. So offen verspottet zu werden war unerträglich, zumal sie nicht beabsichtigt hatte, unverschämt zu sein. Sie sah ihn durchdringend an. Es war so, als wolle man eine Katze dazu bringen, den Blick abzuwenden. Obwohl nur ein paar Sekunden vergingen, begann sie sich albern zu fühlen. Dann drehte er sich lässig um, als sei sie ein Vogel, der keine weitere Beachtung verdiene, und nahm seine Unterhaltung mit dem Chinesen und Dr. Lighter wieder auf.
    Lysistrata war, als sei sie geohrfeigt worden. Für einen Moment wünschte sie sich, splitternackt zu sein, und daß eine dicke, barocke Perle zwischen ihren Brüsten baumelte. Dann hätte er sie nicht ignoriert, dieser Bastard!
    Herriott, der ihr angespanntes, weißes Gesicht sah, legte eine Hand auf ihren Arm. »Was ist denn, Lysistrata?«
    »Ich...« Sie verschluckte die Worte und legte ihre Hand kurz auf die seine. »Nicht. Nichts, Papa, ich...«
    »Miß Herriott?« ertönte eine Männerstimme hinter ihr.
    Mit angehaltenem Atem wirbelte sie herum. Dann atmete sie erleichtert aus. »Leutnant Armistead. Wie schön, Sie wiederzusehen.«
    Harry nickte Herriott zu. »Ich gestehe, ich erfuhr erst, daß Sie hier sind, Sir, als Lady Mary mich informierte, daß ich die Ehre habe, Miß Herriott zu Tisch zu führen.«
    Während Lysistrata Lady Mary stumm dankte, bemerkte Herriott: »Sie scheint eine perfekte Gastgeberin zu sein. Sie hat wohl festgestellt, daß wir Mitreisende waren.«
    Der arme Harry wünscht sich wahrscheinlich, tot zu sein, dachte Lysistrata, aber sie war froh, ihn zu sehen. Sie mochte Harry, aber sie war noch erleichterter darüber, einen Tischpartner zu haben, bei dem sie sich entspannen konnte. Ihre Fassung war seit geraumer Zeit nicht so erschüttert worden, wenn man den Tuk-too Zwischenfall nicht mitrechnete.
    Unter wiegenden Punkah-Fächern schien das schwere englische Dinner, serviert auf Wedgwoodporzellan, ewig zu dauern. Lysistrata überlegte, ob die Gäste das Rind- und Hammelfleisch auch so genießerisch verzehren würden, wenn sie wüßten, wie fliegenumschwärmt es gewesen war. Richard Harley richtete seine Aufmerksamkeit auf seine hübsche, blonde Tischgefährtin und das Paar neben sich. Er blickte nicht einmal zu ihr. Obwohl froh darüber, daß er offensichtlich ihre Existenz vergessen hatte, war sie etwas verärgert. Harry jedoch glättete ihre gerupften Federn mit seinem üblichen, gutmütigen Charme. Er schien ihre Gesellschaft sogar zu genießen, und sie reagierte fast flirtend darauf.
    Dennoch sah sich Lysistrata nach dem Essen allein gelassen, weil Harry sich entschuldigte und sich mit ihrem Vater und Dr. Lighters den Gentlemen anschloß, um Zigarren und Brandy zu sich zu nehmen. Sie lief auf dem Grundstück herum und kehrte dann zu der Veranda zurück, wo sie den Musikern zuschaute, die ihre Instrumente neben der Tanzfläche aufbauten. Als sie zu spielen begannen, zog sie sich in eine versteckte Nische zurück, damit ihr partnerloser Zustand weniger auffiel.
    Sie tanzte gerne und tat es gelegentlich mit ihrem Vater, doch seit dem Krieg hatte sich die Gelegenheit nicht oft ergeben. Auf den ersten Strauß-Walzer folgte eine Polka. Auf der Fensterbank sitzend, klopften ihre Zehen den Takt zur Musik, während sie den Tänzern zuschaute.
    Dann hörte sie ein gedämpftes, unregelmäßiges Klicken aus dem Raum hinter sich. Durch die Jalousien spähend, sah sie mehrere Männer Billard spielen. Neben zwei britischen Beamten war Sir Anthony und Chilton darunter. Über ihren Köpfen hing eine Wolke von Zigarrenrauch, in dem Insekten summten. Jemand, den sie nicht sehen konnte, sprach perfektes Englisch mit einem seltsam zischenden Akzent. »Ich versichere Ihnen, Gentlemen, daß die Straße nach Yünnan geöffnet wird, wenn Sie große Vorsicht

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