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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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westlicher Gewohnheiten überrascht, paßte sich ihr bereitwillig an. Von milden Gaben abgesehen, hatte Lysistrata ihre Einkaufsliste sorgfältig aufgestellt und hatte nicht die Absicht, Ma Saw unnötige Dinge einkaufen zu lassen. So führte sie Ma Saw entschlossen von den fliegenumschwärmten Fleischständen fort, an denen sich die Menge von Buddhisten und Hindi danach drängte, das fait accompli, vor allem Schweinefleisch zu erwerben, wenngleich es ihnen verboten war, Leben zu zerstören. Doch als eine Horde Verkäufer mit attraktiveren Lebensmitteln lockte, sah Ma Saw amüsiert, wie Lysistrata kapitulierte. Begierig darauf, jede ihr unbekannte Frucht zu probieren, die sie beim Gang durch die Karren entdeckte, mußte sie ermahnt werden, immer nur eine zu essen. »Sehr reif.« Ma Saw entzog ihr behutsam eine Papaya. »Sie werden krank.« Sie schwenkte mütterlich einen Finger. »Später, Sie haben beim Essen.«
    »Du hast recht«, seufzte Lysistrata. »Ich benehme mich, wie ein gieriges Kind.«
    Ma Saw lächelte. »Nicht schlecht, neugierig auf Neues zu sein, aber vielleicht gut, erst mit Stock zu stoßen.«
    Lysistrata wurde im Stockstoßen rasch erfahren. Sie hatte nie Angst vor Insekten gehabt, aber der Loo Gow Bungalow beherbergte eine Armee von vielbeinigen mikroskopisch kleinen bis babyfaustgroßen Schädlingen. Der Garten war ihre Brutstätte. Sobald ein Insekt laufen konnte, marschierte es unausweichlich ins Haus. Als Lysistrata U Pho, der sich wie befürchtet als nutzlos erwiesen hatte, vorschlug, sie auszurotten, waren er und seine buddhistische Familie bestürzt. Jedes Lebewesen hatte ein Recht auf seinen Platz unter der Sonne, erklärten sie. Und anderswo, dachte Lysistrata, als sie nervös zu den Dachgesimsen hochschaute und erwartete, daß einige der winzigen Pilger in ihr Haar fielen.
    Bei einem Eindringling hörte es bei ihr auf. Als sie eines nachts in den Schlaf döste, wurde sie durch ein heftigeres Huschen als gewöhnlich aufgeschreckt. Unwillkürlich erschauernd fand sie, daß es sich wie ein Gleiten anhörte. Obwohl sie noch keine Giftschlange gesehen hatte, mußte es in Birma davon reichlich geben. Warum diese Schlangen ausgerechnet nicht in ihrem Garten sein sollten, war eine überflüssige Frage.
    Sie entzündete vorsichtig eine Kerze und glitt aus dem Bett, die Zehen zusammengekrümmt bei dem Gedanken, den Boden und das, was möglicherweise dort geringelt lag, zu berühren.
    Eine rasche, dunkle Bewegung in einer Ecke der Decke erregte ihre Aufmerksamkeit. Der dort gemalte Schatten hatte mindestens die Größe einer Schlange. Daraus ragten ein langer, zuckender Schwanz und ein stumpfer, schmaler Kopf. Mit vor Angst fast zugeschnürter Kehle wich sie zur Tür zurück. Als Beine aus der Kreatur sprossen, die diagonal über die Wand huschte, floh sie.
    Sie eilte an der Tür ihres Vaters vorbei, da er noch im Krankenhaus war, und schreiend die Treppe hinunter. »U Pho, U Pho! Komm schnell!« Überflüssig zu sagen, daß er nicht schnell kam. Sie fand ihn nackt auf seiner Pritsche in dem kleinen Gartenhaus zusammengerollt. Etwas verspätet bemerkte sie, daß er vom Hals bis zum Knie üppig tätowiert war. »U Pho!«
    Er zuckte etwas zusammen. Beteldunkle Augen blinzelten und blickten dann schläfrig über seine Schulter zu ihr auf.
    »Eine riesige Echse. In meinem Schlafzimmer.« Ungeduldig machte sie eine schlängelnde Bewegung mit der Hand. Er starrte sie nur an. Sie hätte ihn erwürgen können. Birmanen, das hatte sie gelernt, hielten nichts von zuviel Anstrengung. Da Ma Saw Englisch sprach, sah U Pho keinen Grund, das auch zu lernen. Andererseits umfaßte Lysistratas bescheidenes birmanisches Vokabular noch kein Wort für Reptilien. Sie ergriff sein Pasoh, sein Lendentuch, warf es ihm zu und richtete den Daumen aufs Haus. »Komm! Soviel verstehst du ja wohl!« Ihr ärgerlicher Tonfall veranlaßte ihn, sich zu bewegen. Gelassen wickelte er sein Pasoh um und folge ihr.
    Die Kerze vorgerichtet, deutete sie auf die Echse. U Pho musterte sie, lächelte, zuckte die Schultern und sah sie an wie ein Hund, dem man befohlen hatte, einen nicht existierenden Knochen zu apportieren. Er wunderte sich sichtlich, warum sie ihn gestört hatte.
    Und ebenso eindeutig, dachte sie, muß er schwachsinnig und wertlos sein. Mit einem gemurmelten Fluch holte sie den 45.er Colt ihres Vaters. Das hätte sie gleich tun sollen, dachte sie wütend, wäre sie nicht so ein erschreckter Trottel gewesen. Sie kehrte ins

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